Auch in Oberösterreich fordern Stimmen aus der Wirtschaft verschiedene Eckpunkte bei der Reform unserer Schulen (Siehe zum Beispiel die "Initiative für ein besseres oö. Schulsystem".)

"Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut"?

Einige Punkte dieser Initiative in Oberösterreich sind brauchbar, das Vokabular selbst ist sehr "wirtschaftslastig", einige Punkte sind überhaupt nicht zu unterstützen. Es gilt aufzupassen, differenziert hin zu sehen und zu beurteilen. Es gibt einen guten Grund, warum wir in unserem demokratischen Land ein Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und kein Bundesministerium für Wirtschaft und Bildung haben. Und das soll auch so bleiben. Denn entgegen dem Spruch "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut" haben wir die Wahrheit bereits erkannt. In der Wirtschaft geht's ums Geld, und Geld ist vermutlich eine der größten Ursachen für die meisten Probleme die wir heute haben. Vielleicht nicht das Geld an sich, sondern der markante Wunsch verschiedener Industrieller, Aktionäre, Banken, etc., das Geld vermehren zu wollen.

Tut das dem Menschen gut? Bildung sollte vor allem dazu beitragen, dass die Kinder die heute in die Schule gehen morgen gesunde und glückliche Menschen werden, die selbst entscheiden was sie tun und wie sie leben möchten. Wenn wir dies als Ziel haben, weichen wir von den Zielen der Wirtschaft ab, weil für uns dann nicht die Leistungs- und Lernfähigkeit des Menschen, sondern der Mensch in seiner Gesamtheit im Vordergrund steht.

Schule für Menschen

Wenn wir den Menschen in seiner Gesamtheit bilden möchten, benötigen wir einen ganz anderen Ansatz. Wir nehmen den Menschen mitsamt seinen Bedürfnissen vollständig wahr. Dann können wir erkennen, dass der Mensch ohnehin für sein Leben gerne lernt. Fast alle Kinder freuen sich auf die Schule, gegen Weihnachten hat die Motivation in die Schule zu gehen bereits rapide abgenommen. Lernen, aus neurophysiologischer Sicht definiert als "Bilden von neuronalen Verschaltungen im Gehirn" tun Kinder immer noch gerne, wenn auch nicht die Lerninhalte, die von der Schule oder der Wirtschaft gewünscht werden. Eltern wissen, dass spontane Berichte der Kinder von der Schule meist soziale Interaktionen zwischen ihnen und LehrerInnen, ihnen und anderen SchülerInnen oder zwischen anderen SchülerInnen beinhalten. Wer hat was wie gesagt oder getan. Welch Wunder, soziales Lernen findet also auch außerhalb des Faches "Soziales Lernen" statt.

Es geht eben nicht nur um Wissensvermittlung

Behaupten, Schule sei vordergründig ein Ort der Wissensvermittlung kann nur, wer diese Perspektive und damit die Perspektive der SchülerInnen nicht bedenkt.

In einer Schule für Menschen können wir "Mindeststandards" getrost beiseite legen, weil im Menschen inne wohnt, sich in bestimmten Bereichen zu perfektionieren, wenn man ihn lässt. Ein Spiel wird interessanter, je besser man darin wird. Und dort, wo Lerninhalte selbst keine Eigenmotivation auslösen, lernt das Kind für die Menschen, die für es bedeutsam sind. Deshalb ist es wichtig, LehrerInnen in ihrer Fähigkeit, sich für die SchülerInnen in positiver Weise bedeutsam machen zu können, zu stärken. Auch dieser Ansatz kann die Eigenmotivation der SchülerInnen fördern.

Schule der Zukunft

Auf der Basis dieses Wissens stellt sich die Frage nach Ganztagsschule, Neue Mittelschule oder sonstigem Schulmodell nicht mehr, denn dann ist jeder Schultyp hervorragend dazu geeignet, den Menschen umfassend in sozialen und emotionalen Fertigkeiten, sowie im Fachwissen optimal zu fordern und zu fördern.

Viele der notwendigen Erneuerungen können wir innerhalb des derzeitigen Schulsystems bereits umsetzen, ohne Schultypen verändern oder gar neu erfinden zu müssen. Der Ausgangspunkt und Schlüssel für die Schule der Zukunft kann nur die Reflexion der gesellschaftlichen Werte mit einhergehender Entwicklung der entsprechenden Mittel zur Förderung unserer Kinder und Jugend sein. (Leser-Kommentar, Martin Kaffanke, derStandard.at, 11.11.2011)