Wien - Die Komplexität des Forderungskatalogs und den fehlenden Mut zur inhaltlichen Konkretisierung wertet der Politikwissenschafter Peter Filzmaier als vorrangige Ursachen für das mäßige Abschneiden des Bildungsvolksbegehrens. Aus zwölf Forderungen sei letzten Endes nur der Ruf nach einer "besseren Bildung" übriggeblieben. "Dafür gibt es bestimmt viel Zustimmung, aber keine unmittelbare Motivation", so Filzmaier. Eine Sofortumsetzung der Bildungsreform sei zwar unabhängig von der Unterschriftenzahl "irreal" - "die Frage ist nur, ob der Rückenwind durch diese durchschnittliche Unterschriftenzahl reicht, damit das auf dem langen, langsamen Weg funktioniert".

Das am Donnerstag zu Ende gegangene Bildungsvolksbegehren wurde von 383.820 Österreichern unterschrieben. Mit 6,07 Prozent der 6,327.673 Stimmberechtigten liegt es auf Rang 17 der bisher 35 Volksbegehren.

Zwölf Punkte

Der zwölf Punkte umfassende Forderungskatalog reichte von der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen bis zur einheitlichen Pädagogen-Ausbildung. Damit unterscheide sich das vom Industriellen und ehemaligen Vizekanzler Hannes Androsch initiierte Begehren auch von früheren zum Thema Bildung, so Filzmaier. Vom Volksbegehren zur Abschaffung der 13. Schulstufe 1969 bis zur Senkung der Klassenschülerhöchstzahl 1989 haben diese "konkrete Forderungen" gestellt. "Man hätte den Mut zur inhaltlichen Vereinfachung haben und sich auf drei breitenwirksame Kernforderungen einigen müssen." Aus der schwierigen Vermittlung zieht der Politologe auch ein Folgeproblem: "Die Frage ist: Was bleibt von dieser Komplexität nachhaltig in Erinnerung, was weiß ich in drei Monaten oder in drei Jahren noch über dieses Volksbegehren", so Filzmaier.

Timing fraglich

Auch das Timing könnte eine Rolle für das unter den Erwartungen liegende Ergebnis gespielt haben. "Es gab zwar eine durchaus positive Berichterstattung und Öffentlichkeitswirkung", so Filzmaier, "aber die Höhepunkte der öffentlichen Wahrnehmung waren bereits, als Androsch das Volksbegehren angekündigt und später die Unterstützungserklärungen gesammelt hat." Auch unmittelbar vor dem Start habe es verstärkte Wahrnehmung gegeben, "es ist aber nicht gelungen, diesen Spannungsbogen während der Eintragungswoche aufrecht zu erhalten."

Strukturfrage

Unabhängig von der Unterschriftenzahl stellt sich für Filzmaier auch die "Strukturfrage: Was passiert mit Direktdemokratie?" Die geltende Regelung besagt, dass ein Volksbegehren ab 100.000 Stimmen im Parlament behandelt werden muss - damit geht lediglich eine Diskussion, keine Abstimmung im Nationalrat einher. "Man sollte sich die Frage stellen, ob diese Regelung noch zeitgemäß ist oder ob man Direktdemokratie nicht auch mit Verpflichtungen stärken sollte", so Filzmaier. "Wenn der Nationalrat abstimmen müsste, müssten sich folglich auch die Parteien positionieren. So besteht die Gefahr einer Nichtkonkretisierung, was auch die weitere Wirkung erschwert." Gerade deshalb wäre eine höhere Unterschriftenzahl hilfreich gewesen. "Je komplexer die Materie, desto mehr bedarf es einer umfassenden Zahl." (APA)