Das niedrige Ergebnis des Bildungsvolksbegehrens ist ernüchternd, für die Initiatoren, für die unterstützenden Parteien (Grüne und Teile der SPÖ) und für den Bildungsstandort Österreich. Es zeigt, wieviel Bildung in unserem Land wert ist. Zu wenig.

Doch das Ergebnis - so schön es auch nun geredet wird - hat inhaltliche wie emotionale Gründe.

Als vor zwei Jahren Studierende das Audimax der Uni Wien besetzten, da entstand etwas, was als Momentum zu bezeichnen ist. Aus einigen wenigen demonstrierenden, wütenden Studierenden wurde binnen weniger Tage eine Kampagne. Nicht alles war perfekt, doch ein gewisser Elan führte zu einer breiten Thematisierung von Hochschulpolitik, brachte die prekäre Lage der Universitäten in den Fokus der Öffentlichkeit - dass es für diese Situation bis dato keine Lösung gibt, ist eine andere Geschichte. Es zog ein Hauch von Veränderung durch die Universitäten in diesem Land. Die Stimmung war auf der Seite der Studierenden. Im Nachhinein wäre das der Moment gewesen ein Bildungsvolksbegehren - mit dem Fokus auf die Studierenden- zu lancieren.

Solch ein Momentum ist genau das, was dem Bildungsvolksbegehren nun fehlte. Über ein Jahr hinweg hat man träge eine Kampagne zusammengestellt, die zu wenige Emotionen weckte und in der Dauer zwischen Ankündigung und Eintragungswoche versandete. Zu breit aufgestellt waren die Forderungen, zu wenig wurde die Bevölkerung für eines der wichtigsten Themen dieses Landes emotionalisiert, zu sehr galt die Hoffnung, dass Bildung wichtig sei, und allein deswegen genügend UnterstützerInnen unterzeichnen würden. Jeder konnte sich mit irgendeiner der Forderungen identifizieren, aber das alleine machte sie nicht greifbarer. Die Distanz zwischen Volksbegehren und Volk blieb bestehen. Anstatt den Umbau eines Komplettsystems zu fordern, hätten sich die Organisatoren auf einige wenige Forderungen beschränken sollen (Sitzenbleiben, Gesamtschule). Die Minimierung der Themen hätte zur Emotionalisierung der Wähler beitragen können.

Natürlich gab es in diesem Jahr der Auseinandersetzung auch Fortschritte: Das Gesprächsklima und die Gesprächsqualität im Bereich Bildung haben sich verbessert. Man redet über Bildung, die Wirtschaftsvertreter fordern Änderungen, kleine Schritte folgen auf kleine Schritte. Dem eigentlichen Adressaten des Unterschriftsreigens, der ÖVP, schien das Volksbegehren jedoch gleichgültig.

Schon in den letzten Tagen war man bei der Volkspartei ob des Volksbegehrens äußerst gelassen. Gottesgnadengleich ließ GÖD-Chef Fritz Neugebauer am Gewerkschaftstag besorgte SchülerInnen auftreten, die ihre Stimme für das Bildungsvolksbegehren erheben wollten. Der große starke Mann der Lehrergewerkschaft konnte sich zufrieden mit einer Fahne auf der stand „Wir sind die Zukunft" in den Sessel fallen lassen. Der Kanzler saß leicht verdattert daneben, die gleiche Fahne in der Hand. Doch die Realität sieht so aus, und wird auch nach dem Volksbegehren so aussehen. Die ÖVP will sich in entscheidenden Bildungsfragen nicht in die Richtung anderer Parteien bewegen - ob aus Tradition oder aus Blockierhaltung.

Für viele mag das Volksbegehren auch zu parteipolitisch gewesen sein. Eine Ministerin, die ein Volksbegehren unterschreibt, welches sich für Veränderungen in dem Ressort einsetzt, für das sie zuständig ist, untergräbt die noch so hehren Ziele der Initiatoren.

Zu sehr war das Bildungsvolksbegehren auf zwei Parteien zugeschnitten, SPÖ und Grüne. Und zu sehr richtete es sich gegen eine andere, die ÖVP. Doch gerade die SPÖ hielt sich in den letzten Wochen der Mobilisierung, als es darum ging ein herausragendes Ergebnis zu erreichen, vornehm zurück. Von der SPÖ-Spitze fehlte schlichtweg die Unterstützung - ob aus Koalitionsräson oder aus der Gewissheit, dass mit Bildung keine Wahlen zu gewinnen sind.

Bildung ist in unserer Gesellschaft zu wenig angesehen und zu wenig emotionalisiert. Diejenigen, die Veränderung oder - auch das ist eine legitime Wahl - Beibehaltung des Status Quo wollen, müssen die Parteien wählen, die die entsprechende Bildungspolitik machen. Und diese müssen Bildungsthemen zu Primärthemen machen.

Das Bildungsvolksbegehren wird deswegen nur eine Episode bleiben, die den Wandel - so er noch kommen mag - nur begleitet und nicht eingeleitet hat. Für wirkliche Veränderung hätte es einen Ruck gebraucht, das Bildungsvolksbegehren hingegen ist lediglich das Anstupsen der Schulter der ÖVP. Fritz Neugebauer wird sich fest in seinem Sessel sitzend umdrehen und sagen: „Und?" (derStandard.at, 10.11.2011)