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Da hätten die Rating-Kollegen wohl besser aufpassen müssen.

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Erst Griechenland, Irland und Portugal - dann eventuell Spanien, Italien und sogar Frankreich? Die Finanzmärkte spekulieren seit Monaten darüber, welches Euroland als nächstes wackelt. In diese explosive Lage platzt Standard & Poor's mit einer Falschmeldung. Mitten in der Euro-Schuldenkrise hat die Ratingagentur Frankreich versehentlich die Top-Bonität aberkannt - und damit das zweitgrößte Euro-Land geschockt. Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy drohte Konsequenzen an. Die EU verurteilte den Fehler am Freitag scharf.

Die Agentur selbst klärte den Fehler erst Stunden nach dem Vorfall auf: Eine entsprechende E-Mail sei an einige Abonnenten der S&P-Internetseite versendet worden. Standard & Poor's sprach von einem "technischen Fehler". Man wolle die genaue Fehlerquelle untersuchen.

EU vermisst Verantwortungsgefühl

Die Panne hätte zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können: Bereits vorher waren die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen zu den als extrem sicher geltenden deutschen Staatsanleihen auf Rekordhöhe gestiegen - mittlerweile liegen sie bei knapp 1,6 Prozent. In diesem hochnervösen Umfeld verschickte die Agentur dann am Abend ihre E-Mail.

Die Europäische Union kritisiert das scharf. Es handle sich um einen "schwerwiegenden Vorfall", erklärte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Freitag in Brüssel. Dieser zeige, dass die Akteure in der aktuell sehr schwankenden und angespannten Situation an den Finanzmärkten Strenge und ein besonderes Verantwortungsgefühl zeigen müssten. Am Dienstag will Barnier hierzu einen Vorschlag für eine dritte EU-Richtlinie vorlegen.

Die Panne stärkte auch die Entschlossenheit des deutschen Bundestages bei seiner Forderung an die Regierung, endlich die Macht der Agenturen zu beschneiden. In Deutschland beschloss der Bundestag, dass sich die Regierung in der EU für eine zivilrechtliche Haftung der umstrittenen Agenturen und einen stärkeren Wettbewerb zwischen den Bonitätsprüfern einsetzen soll. Damit soll die Bedeutung der Ratingagenturen bei der staatlichen Regulierung der Finanzmärkte zurückgedrängt werden. Man brauche "eine deutliche Haftung bei grob fahrlässigem Verhalten und bei Vorsatz", posaunte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach.

Leichte Beruhigung

Am Freitag beruhigte sich die Lage am französischem Anleihemarkt nur leicht. Am Donnerstag hatte die Rendite für zehnjährige französische Staatstitel einen Sprung um rund 0,3 Prozentpunkte hingelegt, der laut Händlern zumindest teilweise auf den Patzer von S&P zurückging. Die Rendite des französischen Zehn-Jahres-Papiers lag am Freitagvormittag bei 3,4 Prozent und damit nur leicht unter dem Höchststand vom Donnerstag.

Derweil hat sich die Lage für italienische und griechische Staatsanleihen zum Wochenausklang entspannt. Nachdem die Risikoaufschläge für italienische Staatstitel bereits am Donnerstag merklich gesunken waren, gingen sie auch am Freitag spürbar zurück. Deutlich geringere Risikoaufschläge muss Griechenland zahlen, nachdem dort der Weg für eine Übergangsregierung frei wurde.

Der frühere Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Jacques Attali, hatte Paris in einem Gespräch mit dem französischen Wirtschaftsblatt "La Tribune" (Donnerstag) bereits ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: "Machen wir uns nichts vor: auf den Finanzmärkten haben die (französischen) Schulden schon kein AAA mehr." Frankreichs Regierung hatte in den vergangenen drei Monaten zweimal ihre Wachstumsprognosen reduziert und drastische Sparpläne ausgearbeitet, um dennoch ihre ehrgeizigen Ziele bei der Reduzierung des Budgetdefizits zu erreichen. Nach Bekanntgabe eines Nullwachstums im zweiten Quartal dieses Jahres hatten Spekulationen über eine möglicherweise bevorstehende Herabstufung der Top-Bonität Frankreichs an den Börsen für Aufruhr gesorgt. (APA)