Berlin - Zehn Jahre nach Beginn ihres Afghanistan-Einsatzes wird die deutsche Bundeswehr-Truppe am Hindukusch Anfang 2012 erstmals um 450 Soldaten verkleinert. In den folgenden zwölf Monaten sollen weitere 500 Soldaten abgezogen werden. Damit wird das deutsche Kontingent von derzeit bis zu 5.350 Soldaten voraussichtlich innerhalb eines Jahres um fast ein Fünftel schrumpfen.

Grüne und Linke verlangen mehr

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) können mit einer breiten Mehrheit für diesen am Donnerstag unterbreiteten Vorschlag rechnen. Unter Verzicht auf die flexible Reserve und unter Eingliederung der für die Awacs-Aufklärungsflugzeuge eingesetzten Soldaten solle das deutsche Kontingent zum Beginn des neuen Mandats zunächst auf eine Stärke von 4900 Soldaten verringert werden. Die SPD signalisierte Zustimmung, den Grünen geht der Abzug nicht weit genug, die Linke will alle Soldaten sofort nach Hause holen.

Bis Ende 2014 sollen alle Kampftruppen abgezogen sein. Schon Anfang 2013 soll die Bundeswehr aber nur noch 4.400 Soldaten in der internationalen Schutztruppe ISAF mit ihren derzeit 130.000 Soldaten stellen. Grundlage für die Entscheidung ist die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Armee und Polizei. In der Region im Norden des Landes, für die die Bundeswehr zuständig ist, wurde bereits das erste Gebiet übergeben, weitere sollen möglicherweise schon in der nächsten Woche bekanntgegeben werden.

Verteidigungsexperte: "Augenauswischerei der Bundesregierung"

Das Kabinett wird sich voraussichtlich im Dezember mit dem neuen Mandat für den Bundeswehr-Einsatz befassen. Im Jänner soll der Bundestag darüber abstimmen. Die Bundesregierung kann mit einer großen Mehrheit rechnen. Die Reduzierung sei "militärisch noch verantwortbar und politisch zustimmungsfähig", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier signalisierte die Zustimmung der Sozialdemokraten. "Die Reduzierung ist ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte", erklärte er.

Die Grünen wollen die Truppe dagegen weitaus drastischer verkleinern - auf 3.900 Soldaten bis Anfang 2013. Verteidigungsexperte Omid Nouripour sprach von einer "riesigen Augenwischerei der Bundesregierung". Von den derzeit bis zu 5.350 Soldaten seien faktisch nur 5.000 am Hindukusch eingesetzt. Die angepeilte Reduzierung auf 4.900 falle deswegen kaum ins Gewicht, sagte Nouripour. Für die weiteren 500 Soldaten, die bis Anfang 2013 abgezogen werden sollten, würden Vorbehalte wie die Entwicklung der Sicherheitslage gelten. Die Linke hat den Afghanistan-Einsatz als einzige Fraktion bisher stets abgelehnt.(APA)