Während sich der Bundeskanzler mit seinem Abenteuer im Reich des Facebooks erst der vorletzten Stufe nähert, die ein Politiker betreten kann, die der Lächerlichkeit, hat der Verteidigungsminister die letzte erreicht, nämlich die des allgemeinen Mitleids. Gemeinsam ist beider Schicksal: Es wäre leicht zu vermeiden gewesen, hätten sie sich nicht von Ohrenbläsern zu Handlungen hinreißen lassen, deren ausschließlich opportunistische Motivation das Scheitern in sich trug. Wer auf Facebook reüssieren will, muss sich für Menschen interessieren oder dies zumindest geschickt vortäuschen können, er muss sich ihnen als Mensch darbieten, der des Interesses wert ist und nicht als politischer Verlautbarungsbürokrat. Es muss kein schlechter Politiker sein, wem es an Talent zum elektronischen Netzwerken gebricht, aber er lässt besser die Finger davon, vor allem dann, wenn jedermann weiß, dass allein aus Zeitgründen kaum je das wahre Kanzlerface, sondern zumeist nur Handlangerfake aus dem Book springen wird.

Die Absetzung des Generalstabschefs und seine prompte Auferstehung als Phönix aus der Asche heimischer Verteidigungspolitik hat mehr oder minder subtile Kontroversen über Darabos' Versuch einer Wehrkraftzersetzung am österreichischen Berufsbeamtentum mit den Mitteln der Politik provoziert. Wer darf obsiegen, wenn die Meinungen eines demokratisch legitimierten Ministers und eines dienstrechtlich geschützten Beamten unversöhnlich auseinanderstreben, war der Tenor der Debatte. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit ging der Minister daraus eindeutig als Verlierer hervor, obwohl er mit seiner Einforderung des Primats der Politik ebenso eindeutig und ohne jeden Zweifel recht hat - ein Paradox, das unfröhliche Urständ' feierte, als der HBP als Oberbefehlshaber und der BM als Unterbefehlsverweigerer einander im Regen des Nationalfeiertages stehen ließen. Es mag der pazifistischen Grundgestimmtheit des Verteidigungsministers zuzuschreiben sein, dass seine Auffassung vom Primat der Politik nicht auch gleich zu einer vorübergehenden Absetzung des Bundespräsidenten führte.

Wer vom Primat der Politik spricht, wirft die Frage auf: Welche Politik? Verdient es diesen Namen, wenn - Verfassung hin, Verfassung her - eine Handvoll Personen über Nacht ein Berufsheer proklamiert, in der Hoffnung, sich damit rasch vor einer Gemeinderatswahl die Gunst eines Boulevardblattes zu sichern? Ist es ernsthaft Politik zu nennen, wenn in eine solche Volte die Zeitung, aber nicht der Oberbefehlshaber involviert wird? Wenn sie ohne jede Debatte sogar in der eigenen Partei vollzogen wird, die aus guten und prinzipiellen Gründen stets für die allgemeine Wehrpflicht eingetreten ist? Und ist es Politik, wenn ein Minister, für den die Wehrpflicht bis zum Tag vorher "in Stein gemeißelt" war, von seinem Generalstabschef verlangt, die ihm aufgezwungene Marotte stante pede bedenkenlos nachzuvollziehen?

Wenn das Politik sein soll, dann wäre ihr Primat nicht wünschenswert. Doch hier herrschte nicht Primat der Politik, sondern der Primat des Boulevards in den Köpfen Politik vortäuschender Funktionäre, denen Darabos' trauriges Los keine Lehre sein wird.(DER STANDARD; Printausgabe, 11.11.2011)