Eine Regierung der nationalen Einheit hätte es werden sollen. So hatte es sich Giorgos Papandreou gewünscht. Eine große Koalition von Sozialisten und Konservativen und vielleicht auch noch mehr als das. Griechenland kennt aber eine solche Form der politischen Zusammenarbeit nicht. In einer der schwersten Krisen, die die Nation je durchlebt hat, waren die griechischen Politiker nicht in der Lage, über ihren Schatten zu springen. Enttäuschung und Verzweiflung über das eigene Unvermögen waren am dritten Tag der Premiersuche in Athen mit den Händen zu fassen. Für die Zukunft dieses Staates, der am Rand des Bankrotts wandelt, bedeutet das nichts Gutes.

Nach zwei Jahren harten Sparkurses steht Griechenland politisch vor dem Nichts, wirtschaftlich geht es ohnehin nur in das nächste Quartal der Rezession. Ohne eine starke Regierung und eine glaubwürdige Mehrheit im Parlament ist das von der Troika verordnete Austeritätsprogramm aber kaum noch aufrechtzuerhalten. Papandreous Niedergang ist der Beweis dafür. Es waren die Störaktionen der Militärparaden in den griechischen Großstädten am 28. Oktober, zwei Tage nach der Entscheidung über die neue Milliardenkredithilfe und den Schuldenschnitt, die die Regierung letztlich ins Wanken brachten. Papandreou erkannte, dass er nicht länger mit seiner Partei allein den Sparkurs schultern konnte. Doch warum sollte dazu nun ausgerechnet eine Übergangsregierung in der Lage sein, die aus der Schwäche der Politiker geboren wurde?

Das Mandat der neuen griechischen Regierung mag beschränkt sein: den Haushalt 2012 endgültig durchs Parlament bringen, zusätzliche Abkommen mit den Kreditgebern unterschreiben, Sparmaßnahmen bis zu den vorgezogenen Neuwahlen umsetzen. Die großen, radikalen Sparschnitte hat bereits die alte Regierung beschlossen. Doch das neue Notkabinett von Athen hat zwei Makel. Zum einen ein Demokratiedefizit: Es wird von einem nicht gewählten Premier geführt, der Sparpläne einer nicht gewählten Troika von IWF, EZB und EU-Kommission umzusetzen hat, und dies mit Verpflichtungen, die sich bald auf ein Jahrzehnt erstrecken werden. Zum anderen aber hat diese Übergangsregierung auch ein durchaus willkommenes "Politikdefizit": Der Sparkurs ruft weiter so viel Widerstand hervor, dass die griechischen Politiker ihn gern dem Notkabinett überlassen und sich der Verantwortung entziehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2011)