Silvia Moosmaier ist "Gender Mainstreaming"-Beauftragte im Verteidigungsministerium.

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Der Frauenanteil soll in zehn Jahren von derzeit zwei Prozent auf zehn bis 15 Prozent erhöht werden.

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Gender Advisers und Gender Field Advisers kümmern sich zum Beispiel um Wasserversorgung und ganz generell um die Wahrnehmung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern in Krisengebieten.

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Aktuell gibt es 372 Soldatinnen - nach 13 Jahren. Das ist die magere Bilanz seit militärische Berufe für Frauen geöffnet wurden. Viele haben den Dienst quittiert, weil sie aus der Truppe gemobbt wurden. Silvia Moosmaier, Gender Mainstreaming-Beauftragte der Generalstabsabteilung, erklärt im Interview mit derStandard.at die Gründe für den geringen Frauenanteil und wie der Beruf in Zukunft attraktiver gemacht werden soll.

derStandard.at: In Österreich gibt es nur zwei Prozent Soldatinnen. Warum?

Moosmaier: Das Bundesheer wurde erst im Jahr 1998 für Frauen geöffnet. Zum anderen ist das Berufsbild der Soldatin bei den jungen Frauen noch nicht wirklich präsent. Viele haben keine konkreten Vorstellungen, um welche Aufgaben es sich dabei handeln könnte. Vermutlich denken wenige Frauen daran, dass sie in den unterschiedlichsten Bereichen im Rahmen von Katastropheneinsätzen oder Friedensmissionen tätig sein könnten. 

derStandard.at: Zum Beispiel?

Moosmaier: Etwa als Hubschrauberpilotin oder als Zuständige für die Trinkwasseraufbereitung in verseuchten Gebieten. Es bestehen definitiv gerechte Chancen für alle Soldatinnen auch in sogenannten Männerberufen tätig zu werden wie z.B. als Offizier des höheren militärtechnischen Dienstes in einer Werkstätte, genauso wie als Fernmeldeunteroffizier, Hundeführerin, Feldköchin oder als zuständiger Fachoffizier für Cyber Warfare.

derStandard.at: Haben Frauen andere Erwartungen an Friedensmissionen bzw. Katastrophenhilfe als Männer?

Moosmaier: Ja, das haben sie. An dieser Stelle möchte ich die für Österreich neuen Funktionen des Gender Advisers und des Gender Field Advisers im Bereich der Auslandseinsätze erwähnen. Die Aufgabe für diese Personen besteht in der Wahrnehmung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männer in den Einsatzorten. Dazu kann die Sicherung von Wegen zählen, die nur von Frauen beschritten werden z.B. zu Wasserstellen, die Verteilung von Lebensmitteln auch für Frauen sicherzustellen oder Wohnraum nicht nur an Familienoberhäupter, sondern auch an Frauen zu vergeben. Aber auch die Berücksichtigung von religiösen Vorschriften ist hier zu erwähnen. Dazu gehört, dass wir bei einem Erdbeben muslimische Frauen, die sich von keinem Mann angreifen lassen dürfen, von Frauen aus den Trümmern retten lassen.

derStandard.at: Dieses martialische Bild des Kriegsführens, das viele mit dem Heer in Verbindung bringen. Ist das noch zu dominant?

Moosmaier: Das kann man nicht leugnen. Der Beruf ist sehr fordernd und in letzter Konsequenz kann es sein, dass man sein Leben für andere lassen muss. Eltern raten eher Töchtern als Söhnen ab, diesen Beruf zu ergreifen.

derStandard.at: Das Bundesheer steht Frauen immerhin schon seit 13 Jahren offen. Warum hat man es in dieser Zeit nicht geschafft, den Beruf attraktiver zu machen?

Moosmaier: Erst in den letzten Jahren wurden verstärkt Maßnahmen gesetzt. Heuer gab es zum Beispiel im Rahmen vom "Girl's Day" Einladungen an 480.000 junge Frauen. 528 waren dann einen Tag bei uns zum Schnuppern, was letztendlich in 50 neuen Anmeldungen für den Ausbildungsdienst resultierte. Gerade in Zeiten eines hart umkämpften Arbeitsmarktes bietet das Bundesheer vielfältige Karrieremöglichkeiten.

derStandard.at: Auch als Sprungbrett in die Privatwirtschaft?

Moosmaier: In der Regel verpflichtet man sich für drei Jahre. Wir legen Wert darauf, dass die Ausbildungen in der Privatwirtschaft anrechenbar sind bzw. anrechenbar werden. Viele verlassen uns dann mit einer guten Ausbildung im Gepäck, um wo anders Karriere zu machen. Noch mehr als jetzt wird das Bundesheer in Zukunft etwas Temporäres sein.

derStandard.at: Das heißt, die Karriereaussichten sind hervorragend?

Moosmaier: Prinzipiell schon, allerdings unter der Voraussetzung, dass man die Qualifikationen erfüllt. Natürlich wird Frauen nichts geschenkt. Erfüllt man die Erfordernisse, hat man wirklich gute Chancen.

derStandard.at: Welcher Frauenanteil soll mit gezielten Maßnahmen erreicht werden?

Moosmaier: Das Ziel ist, bis 2017 einen Frauenanteil von etwa sieben Prozent und in zehn Jahren etwa zehn bis 15 Prozent zu haben, wie das in den meisten Armeen der Fall ist. Das wäre ein schöner Erfolg. Bei einigen wenigen Armeen geht es sogar in Richtung 20 Prozent.

derStandard.at: Laut einer Studie sind Soldatinnen drei Mal so häufig von Mobbing betroffen, viele verlassen das Bundesheer wieder. Wie kann man das unterbinden?

Moosmaier: Die bestehenden Gesetze und Erlässe sind ausreichend. Was fehlt: Menschen, die betroffen sind, fühlen sich alleine gelassen. Sie wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Aus diesem Grund haben wir jetzt eine standardisierte Interventionskette geschaffen, deren Start im ersten Quartal 2012 erfolgt. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt für alle Ressortangehörigen eine einheitliche und professionelle Hilfe zu Verfügung steht. Betroffene Personen können sich zunächst an eine Hotline wenden. Dies kann auf Wunsch beim Erstgespräch auch in anonymisierter Form erfolgen. Im Gespräch wird dann die Situation besprochen, weitere Maßnahmen werden vereinbart. Neu ist, dass betroffene Personen während der Gesamtdauer eines Falles eine Ansprechperson haben werden. Zusätzlich wird es verstärkt Sensibilisierungsmaßnahmen in Form von Schulungen und schriftlichen Unterlagen geben.

derStandard.at: Was sind klassische Fälle von Mobbing, mit denen Frauen konfrontiert waren?

Moosmaier: Zum Großteil betrifft dies die Kameradschaftsebene. Klassische Verhaltensmuster aus dem Bereich der Gruppendynamik und selbstverständlich auch das Ausschaltung von Konkurrenz sind hier immer wieder zu beobachten. Leider werden solche Vorfälle von Vorgesetzten nicht immer erkannt; deshalb ist es auch von großer Wichtigkeit für diese Personengruppe Sensibilisierungsmaßnahmen zu setzen. Denn eines hat sich bereits klar gezeigt, die Vorbildwirkung von Kommandanten und Vorgesetzten wirkt sich positiv auf die Akzeptanz von Soldatinnen aus und reduziert somit Mobbing. 

Nicht außer Acht zu lassen ist die Tatsache, dass sich Männer über die Differenz zu Frauen definieren - das geschieht in der Regel unbewusst. Ist der Mann also stark, dann kann die Frau als schwach eingeordnet werden. Das Problem ergibt sich sobald der Mann der Frau das Attribut „stark" zuordnet, da damit für den unreflektierten Mann der Selbstwert eine negative Veränderung erfahren kann.

derStandard.at: Zum Beispiel?

Moosmaier: Ausschluss aus der Gruppe. Zum Beispiel durchs Ignorieren der Person, durch lächerlich machen, durch Verweigerung von Gruppenunterstützung, permanente Zuteilung der schwierigsten Aufgaben, Verweigerung von Information und Sprechzeit. Dies sind alles übliche Anzeichen für Mobbing, wie sie auch in anderen Betrieben vorkommen können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeit von Militärpersonen - besonders im Auslandseinsatz - oft Wochen und Monate dauert und somit das Team permanent zusammen ist. Konkretes Beispiel wäre etwa eine Soldatin, die bei Nachtübungen immer das schwerste Gepäck tragen musste und zusätzlich ständig wegen ihres langsamen Tempos gehänselt wurde.

derStandard.at: Ist sexuelle Belästigung ein Thema? Wenn ja, wie wird es manifest?

Moosmaier: Etwa durch Fotos von Pin-Up-Mädchen, die an den Spinden hängen. Oft wird das von verbalen Anzüglichkeiten gegenüber Frauen begleitet. Wenn der Kommandant das nicht abstellt, fördert er es indirekt. Natürlich ist es schwierig, sich als Individuum in eine Männergruppe zu integrieren. Als einzige Frau ist man oft gezwungen, über die Männerwitze zu lachen. Einem Mann würde es in einer Frauengruppe wahrscheinlich auch nicht viel anders gehen.

derStandard.at: Existieren noch Defizite im Bereich der Infrastruktur für Frauen?

Moosmaier: Die haben für Frauen nie existiert. Männer haben sich immer über Duschen und WCs Gedanken gemacht, für Frauen war das nie das Problem. Beim Duschen kann ich ein Besetzt-Schild umdrehen. Es gibt auch Armeen wo Männer und Frauen einfach gemeinsam duschen. Im Einsatz wird das die geringste Sorge sein.

derStandard.at: Welche Punkte werden bei den Arbeitsbedingungen noch verbessert?

Moosmaier: Neben den 372 Soldatinnen arbeiten noch 2600 Zivilistinnen in unserem Ressort. Ein Thema sind auch neue Kinderbetreuungsmodelle. Wir wollen unseren Mitarbeitenden Fixplätze bei örtlichen Anbietern, die in der Nähe von Kasernen sind, zur Verfügung stellen. Oder intensivere Betreuung gewährleisten, wenn etwa ein Elternteil im Ausland stationiert ist. Überlegungen sind auch Betriebskindergärten, die man auch für andere Kinder vor Ort öffnen könnte.

derStandard.at: In welcher Altersgruppe orten Sie die größten Akzeptanzprobleme?

Moosmaier: Das ist eher eine Frage der Persönlichkeit und nicht so sehr des Alters. Natürlich ist der grundsätzliche Zugang von jungen Männern schon ein anderer. Bei Älteren ist die Schutzfunktion in Bezug auf Frauen noch stärker ausgeprägt. Da kann es vorkommen, dass Frauen zu gut behandelt werden.

derStandard.at: Sind noch viele ältere Herrschaften am Ruder, die um ihre Domäne fürchten?

Moosmaier: Natürlich wird auch versucht, Konkurrenz auszuschalten und das eigene Revier zu verteidigen. Und je höher Frauen in der Hierarchie nach oben kommen, desto dünner wird die Luft. Auch bei den Zivilistinnen, die bei uns tätig sind, existiert die gläserne Decke. Bei Frauen überprüft man ständig alles, bei Männern nimmt man an, dass sie es sowieso können.

derStandard.at: Sind unterschiedliche körperliche Voraussetzungen ein Thema?

Moosmaier: In Zukunft wird es von der Funktion abhängen, welche körperlichen Erfordernisse erbracht werden müssen. Wenn er oder sie das Limit nicht erfüllt, kann die Funktion nicht ausgeübt werden. Das ist in vielen Armeen so geregelt.

derStandard.at: Wäre nicht auch geschlechtergerechte Sprache ein wichtiger Punkt? Etwa bei den Dienstgraden?

Moosmaier: Der Punkt ist, dass die Soldatinnen das ablehnen. Grundsätzlich haben wir angeordnet, geschlechtergerecht zu formulieren. Das ist ein Prozess, der momentan noch auf vehemente Ablehnung - insbesondere bei den Soldatinnen - stößt.

derStandard.at: Es geht doch auch um die Signalwirkung. Sollte das nicht von oben diktiert werden?

Moosmaier: Obwohl es angeordnet ist, funktioniert es nicht wirklich, da intern nur eine sehr geringe Akzeptanz besteht.

derStandard.at: Man sagt zum Beispiel Oberstarzt und "Frau Oberstarzt". Warum nicht Oberstärztin?

Moosmaier: Wie gesagt, die Soldatinnen wollen das nicht. Als Fachfrau ist es mir durchaus bewusst, dass ein kulturelles Umdenken in Richtung Gleichstellung nur über die "richtigen Bilder im Kopf" funktioniert.

derStandard.at: Voriges Jahr hat ein missglückter Werbespot des Bundesheeres für heftige Kritik gesorgt. Sind solche klischeehaften Darstellungen jetzt aus der Welt?

Moosmaier: Seitdem hat es zum Glück nichts mehr in dieser Richtung gegeben. Die Kommunikationsagenden sind ja neu geordnet worden und schließen eigentlich aus, dass so etwas noch einmal produziert wird.

derStandard.at: Sollen Frauen verpflichtend Präsenz- oder Zivildienst leisten müssen?

Moosmaier: Ich habe in dieser Frage einen einfachen Zugang. Sobald die unbezahlte Sozialarbeit gerecht aufgeteilt ist, kann darüber geredet werden. Momentan sind Frauen genug belastet. Wenn diese Ungerechtigkeiten einmal beseitigt sind, stellt sich diese Frage neu. (Oliver Mark/derStandard.at, 9.11.2011)