Wien - Die Second-Hit-Hypothese zur Entstehung von Krebs besagt, dass Zellen erst dann bösartig wuchern, wenn in ihnen gleichzeitig mit einer ersten Genmutation ein zweiter Gendefekt auftritt. Wissenschafter der Vetmeduni Vienna und des Ludwig Boltzmann Instituts für Krebsforschung konnten nun zeigen, dass die Art, wie dieser genetische "zweite Streich" geführt wird, den Verlauf der Krankheit entscheidend beeinflussen kann. Die Ergebnisse - so eine Aussendung der Universität für Veterinärmedizin - haben direkte Auswirkungen für die Krebstherapie. Sie wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Blood" veröffentlicht. 

Burkitt-Lymphom studiert

Das sogenannte Burkitt-Lymphom, eine besonders aggressive Art von Krebs des Lymphsystems, tritt glücklicherweise selten auf. Im äquatorialen Afrika ist es jedoch die häufigste Krebsform bei Kindern. Auch Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem, beispielsweise Aids-Patienten, erkranken gehäuft an dieser Krebsart.

In den kranken Zellen wird ein bestimmtes Gen, das Onkogen c-myc, verstärkt aktiv. Dieser Aktivitätsanstieg reicht üblicherweise noch nicht aus, um den Krebs auszulösen. Es müssen weitere genetische Veränderungen geschehen, damit ein Tumor entsteht. Die Forschungsgruppen um Veronika Sexl von der Veterinärmedizinischen Universität und Dagmar Stoiber vom Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung legten nun dazu neue Forschungsergebnisse vor.

Bekannt ist, dass auch das Burkitt-Lymphom nur dann auftritt, wenn das Protein MYC (Genprodukt von c-myc) übermäßig produziert wird. Andererseits zeigten Tests, dass Mäuse manchmal auch mit erhöhten MYC-Werten unbeeinträchtigt weiterleben. Diese Beobachtung unterstützt die Second-Hit-Hypothese für die Entstehung von Krebs, die besagt, dass zusätzlich zur Veränderung des c-myc-Gens auch ein zweites Gen modifiziert sein muss. Im Fall von MYC-induzierten Lymphomen sind das p53-Gen oder das Bcl-2-Gen Kandidaten für dieses zweite Gen, das mutiert sein muss. Der Verlust von p53 oder erhöhte Werte des BCL-2-Proteins wurden beide mit der Entstehung von Lymphomen in Verbindung gebracht.

Die Ergebnisse

Mit einem Mausmodell des menschlichen Lymphoms verglichen die Forschenden, wie sich der Ausfall des p53-Gens, die Überaktivierung des Bcl-2-Gens oder die Wirkung beider Effekte zusammengenommen auswirken. Ihre Ergebnisse waren dramatisch: Wenn das p53 durch Mutation ausfiel, konnte das Immunsystem die Tumorzellen nicht mehr erkennen. Dadurch entwickelten die Tiere ein aggressives, sich rasch entwickelndes Lymphom.

Wenn stattdessen das Bcl-2-Gen übermäßig aktiv war und verstärkt BCL-2-Protein produzierte, konnte das Immunsystem der Tiere die Krebszellen erkennen und die Entwicklung der Krankheit zumindest verzögern oder sogar verhindern. Wenn sowohl p53 fehlte als auch BCL2 verstärkt aktiv war, blieb die Immunantwort ebenfalls wirksam. Die Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, dass die Art des "Second Hit" bestimmt, ob das Immunsystem der Tiere die Krebszellen erkennen und bekämpfen kann. Ulrich Jäger, ein Kollege Sexls an der Medizinischen Universität Wien (Klinische Abteilung für Onkologie an Universitätsklinik für Innere Medizin I am Wiener AKH), konnte außerdem mit ersten vorläufigen Daten beim Menschen Sexls und Stoibers Ergebnisse bei Mäusen unterstützen. (APA/red)

(S E R V I C E: Internet - http://bloodjournal.hematologylibrary.org/)