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Ron Paul, ein klassischer Libertärer.

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Im Gegensatz zu Mitt Romney (l.) ist er des "Flip-Floppens" unverdächtig.

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Seit vierzig Jahren im Dienste der Freiheit, wie er sie meint.

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Im Wahlkampf gibt er sich auch gerne hemdsärmelig.

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Texas im August 1971: der Tag, an dem Ron Paul beschloss Politiker zu werden, war ein Sonntag. Während sich im steirischen Zeltweg Jackie Stewart zum Formel 1-Weltmeister kürte, kündigte in Washington Präsident Richard Nixon das Abkommen von Bretton Woods auf, das den Dollar seit 1944 an den Goldpreis band und ihn zur globalen Leitwährung aufsteigen ließ. Der Vietnamkrieg dauerte schon sieben Jahre und hatte den US-Staatshaushalt gefährlich ins Kippen gebracht.

Für den jungen Gynäkologen Ron Paul aus Virginia, damals 35 Jahre alt und nach Zwischenstationen in Pennsylvania, North Carolina und Michigan an der Seite seiner Ehefrau Carol in Texas gelandet, geriet Nixons verzweifeltes Manöver zum Damaskus-Moment: bis heute hält der Arzt die Wiedereinführung des Goldstandards für die dringlichste Maßnahme zur Heilung Amerikas. Das Spiel mit dem virtuellen Geld, das seit jenem 15. August 1971 nicht mehr mit Gold gedeckt ist, habe zu der aktuellen Wirtschaftskrise geführt, ist der heute 76-Jährige überzeugt und ruft zur "Ron Paul Revolution".

Solcherart Desperadotum des Texaners freut nicht nur die Jungspunde von der #Occupy-Bewegung, die dieser Tage Straßen und Plätze US-amerikanischer Städte besetzt halten. Es sind politische Lebenslinien wie diese, die Ron Paul in den Augen von immer mehr Amerikanern als Rebell gegen das Establishment erscheinen lassen. Und das, obwohl sich der Texaner seit drei Jahrzehnten behände in den elitären Politzirkeln des Washingtoner Regierungsbezirks bewegt und sich dabei von einem Weltbild leiten lässt, das alles andere als links ist. Wie konnte es soweit kommen?

Ron Paul ist libertär, nicht liberal. In seinem laissez-faire ist Ron Paul radikal. Sohn Rand vertritt seit einem Jahr als Senator von Kentucky die rechtsextremen Tea Party-Wähler im verhassten Washington, er selbst sitzt seit 1976 mit Unterbrechungen im Repräsentantenhaus. Am 13. Mai gab er offiziell sein Antreten bei den Vorwahlen der Republikaner bekannt. Zum dritten Mal nach 1998 und 2008 will Ron Paul Präsident der Vereinigten Staaten werden werden. Linke loben den Senior für dessen konsequente Antikriegspolitik. Paul gibt sich pragmatisch, kann aber auch dogmatisch sein, wenn er es für sinnvoll hält, etwa in Sachen Abtreibung. Vor allem ist er seinen Anhängern, die sich wie Jünger gerieren, aber eines: konsequent.

US-Truppen "so schnell wie möglich" heimholen

Gerade was seine außenpolitischen Ansätze betrifft, hebt er sich für viele wohltuend vom parteiübergreifenden Konsens des Interventionismus ab. "Krieg ist niemals wirtschaftlich zuträglich, außer für jene, die von den Kriegsausgaben profitieren", sagte Paul 2004, als der Irakkrieg formal beendet war, seine Nachwehen das US-Staatssäckel aber unwiderruflich zu schröpfen begann. Der linke Demokrat Dennis Kucinich, kraft seiner Karriere konservativen Geiferns unverdächtig, lobte Paul für dessen konsequente Antikriegspolitik - und kassierte prompt eine Einladung in Pauls potenzielles Regierungsteam. 2003 hat Paul als einziger Republikaner im Repräsentantenhaus gegen den Irakkrieg gestimmt, heuer hat er sich vehement gegen die US-Beteiligung am NATO-Einsatz zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung ausgesprochen.

Die USA dürften, wenn es nach Ron Paul geht, nur dann Krieg führen, wenn sie auf ihrem eigenen Territorium angegriffen werden. Und wenn der Kongress wie in Artikel Eins der amerikanischen Verfassung vorgesehen, einem anderen Land den Krieg erklärt. Wäre er Präsident, würde er die US-Truppen aus Europa, Asien und dem Nahen Osten nach Hause holen, "so schnell wie die Schiffe eben fahren". Paul würde die milliardenschweren Subventionen an Israel überdenken, "weil die arabischen Nachbarn ein Vielfaches davon bekommen und Israel in seiner Souveränität beschränkt wird."

Appeasement gegenüber dem Iran

Paul ist aber kein Peacenik, 1981 befürwortete er den Luftangriff der Israelischen Luftwaffe auf den irakisch-französischen Atomreaktor Osirak. Geht es um den Iran, der ebenso verdächtigt wird an Nuklearwaffen zu arbeiten, würde Paul aber einen völlig neuen Ansatz verfolgen. "Die Bedrohung Amerikas und der Region durch den Iran ist völlig übertrieben", sagte er unlängst und schlug vor, dem Mullahregime "mit Freundschaft statt mit Sanktionen" zu begegnen.

Überhaupt agitiert Paul gerne gegen die Dogmen der konservativen Nullerjahre: den Patriot-Act, mit dem die Regierung George W. Bush auf die Terrorgefahr nach 9/11 reagierte, hält er für ein Überwachungsinstrument. Terroristen würde er lieber mit polizeilichen Mitteln beizukommen versuchen, hätten die USA nicht so viele Truppen im Ausland stationiert, lautet Pauls Spin, würden Terroristen Amerika auch nicht angreifen.

Prediger des unregulierten Marktes

Während sich mit Pauls verteidigungspolitischen Akzenten auch so mancher Linker anfreunden kann, betont er im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik klassisch libertäre Werte. 1988 kandidierte er sogar auf dem Ticket der marktradikalen Libertarian Party für die Präsidentschaft, bis heute lässt er Kritik am Kapitalismus per se nicht gelten, "schließlich haben wir ihn noch gar nicht probiert."

Immer wieder tritt Paul, der sich ökomisch der Österreichischen Schule von Hayek und Konsorten verpflichtet sieht, als radikaler Kritiker der US-Fiskalpolitik auf, ortet Überregulierung des Marktes durch die Regierung und wünscht sich die Abschaffung der mächtigen Notenbank Federal Reserve. Lieber heute als morgen sähe er Gold und Silber als Zahlungsmittel eingeführt. Ein Staatsdefizit führt in Ron Pauls Augen automatisch zu Steuererhöhungen, säße er im Weißen Haus, würden nicht nur Einkommens- und Treibstoffsteuer, sondern auch gleich die Bundessteuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) abgeschafft.

Das Thema Klimawandel gehört zu den wenigen Bereichen, in denen Paul seine Meinung im Laufe der Jahre merkbar geändert hat. Sprach er 2008 noch von einer Mitverantwortung des Menschen und forderte die Regierung auf, die Ölindustrie nicht mehr länger zu unterstützen, nennt er die wissenschaftliche Erforschung des menschlichen Anteils am Klimawandels mittlerweile einen "Schwindel".

"Pro-Life-Champion"

Während er das Recht der US-Amerikaner auf das Tragen von Waffen, im Zweifel auch jener automatischer Provenienz, standhaft verteidigt, bezeichnet er sich selbst als "Pro-Life-Champion", hält Abtreibung also für einen illegitimen Eingriff in das Werk Gottes. Er stimmte für Gesetzesvorschläge, die Krankenhäusern Bundesgelder verwehrt, so sie Abtreibungen durchführen, ist aber grundsätzlich gegen die Einmischung Washingtons in die Abtreibungsgesetzgebung.

In Sachen Homo-Ehe beruft sich Paul auf die Autorität der Bundesstaaten und will Washington nicht über Für und Wider entscheiden lassen. Was hingegen Obamas Gesundheitsform betrifft, sieht sich der Arzt durchaus auf Linie mit seiner Partei, für ihn ist jegliche staatliche Unterstützung im Gesundheitssektor ein Gräuel, Versicherungspflicht sowieso. Stattdessen dürften die US-Bürger ihre Gesundheitsausgaben komplett von der Steuer absetzen. Paul, der 1961 an der Duke University in North Carolina sein Medizinstudium abschloss, baut auf das Gewissen der Ärzte, Bedürftige gratis zu versorgen, so wie er es der Legende zufolge während seiner Medizinerkarriere gehalten hat.

Illegalen Einwanderern will Paul sämtliche Rechte und Vergünstigungen streichen, die Grenze zu Mexiko müsse geschützt werden, "koste es was es wolle". Auch die automatische US-Staatsbürgerschaft von im Land geborenen Kindern ist dem Libertären ein Dorn im Auge, Kindern illegaler Einwanderer würde diese künftig verwehrt.

Crux Onlineumfragen

Illinois im November 2011: 52 Prozent der insgesamt 3.649 Teilnehmer einer Strawpoll-Meinungsumfrage halten Ron Paul für den besten Kandidaten der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl 2012. Abgeschlagen dahinter: Mitt Romney und Herman Cain. Die Crux dabei liegt im Wesen der Umfrage, bei der sowohl per Mausklick als auch persönlich abgestimmt werden konnte. Fast 67 Prozent der Online-Stimmen gingen an Paul, jene Bürger, die in personam an die Wahlurne schritten, entschieden sich nur zu acht Prozent für ihn.

Hinter den 2.000 Stimmen für Ron Paul aus Illinois verbergen sich Menschen, deren Mobilisierung für Grand Old Party praktisch wertlos ist. Kaum ein eingeschworener Paul-Unterstützer würde nach Ansicht von Experten für einen anderen republikanischen Kandidaten stimmen, sollte der Texaner nicht nominiert werden. So droht der Siegeszug des Ron Paul, der zuvor in diesem Jahr schon Strawpolls in Ohio und Iowa für sich entscheiden konnte, erneut an der republikanischen Parteiräson zu verpuffen. (flon/derStandard.at, 8.11.2011)