Tinjan - Ein Wallfahrtsort für Vegetarier ist das wohl nicht. Wiewohl: Man könnte auch von Käse und süßem Backwerk satt werden. Aber dafür fährt man nicht nach Tinjan. Hier, im Zentrum Istriens, ging Ende Oktober zum fünften Mal die Isap über die Bühne. Die Abkürzung könnte man leicht mit jener für die internationale Schutztruppe in Afghanistan verwechseln, wäre da nicht das Logo mit zwölf recht keck von der Wäscheleine baumelnden Blättchen: Internacionalni sajam prsuta - internationale Schinkenmesse.

Die Bühne: ein riesiges weißes Zelt, an dessen vier Seiten Schinkenproduzenten aus neun Ländern ihre Produkte anbieten. Von der Decke hängen Kristallluster und erhellen die Botschaft: Hier gibt es Qualität. Zwar entspricht die Fonstärke des musikalischen Begleitprogrammes dem Anspruch nicht ganz, aber der Begeisterung tut's keinen Abbruch.

Sportlicher Charakter
Für die einheimische Bevölkerung ist es ein Volksfest mit sportlichem Charakter, für Gastronomen und Wiederverkäufer aus dem In- und Ausland harte Arbeit. Sich von Stand zu Stand weiterzuarbeiten, einen Überblick zu verschaffen und danach Kostproben zum individuellen Vergleichstest auszuwählen erfordert Durchhaltevermögen und digestive Mindestkapazitäten. Dabei hilft das eine oder andere Gläschen, und als eingefleischte Weißweintrinker stellen wir fest, wie gut eine Cuvée aus Teran und Pinot Noir, nicht zu warm, istrischen Prsut mit seiner typischen karstigen Note begleitet.

Zwei Drittel der 29 Anbieter kommen aus Kroatien, die meisten aus Istrien und Dalmatien. Den einzigen österreichischen Teilnehmer verbindet eine besondere Geschichte mit den Veranstaltern. 2006 traf der heutige Bürgermeister Mladen Rajko während eines Brüssel-Besuchs Repräsentanten des Steirischen Vulkanlandes. Diese erzählten von ihrer Schinkenmanufaktur Vulcano. "Wir haben eine Menge von ihnen gelernt", erzählt Rajko - und meint damit auch die Art, wie die Südoststeirer ihren Schinken beim inzwischen alljährlichen Fest in Auersbach zelebrieren.

Auersbach und Tinjan sind Partnergemeinden geworden. Bei wechselseitigen jährlichen Besuchen werden Freundschaften gepflegt und Erfahrungen ausgetauscht. Nicht nur den Steirern gefällt der historische Steintisch in Tinjan, der "zupanski stol" (etwa: Bezirkstisch). Dort trafen früher Vertreter von Tinjan und den umliegenden Gemeinden einmal im Jahr zusammen und wählten den Bürgermeister. Noch heute wird an dem Tisch regelmäßig die regionale Zusammenarbeit erörtert.

Auch Tinjans nächstes Projekt ist teilweise durch das Steirische Vulkanland mit seiner Vision "Energieautark bis 2025" inspiriert: Auf einer Fläche von hundert Hektar soll ein Ökopark für Produzenten erneuerbarer Energie installiert werden. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 08.11.2011)