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Fritz Neugebauer kann auf seine Wahl als Göd-Chef zählen. Wie man es schafft, seine Stimme abzugeben, ist eine andere Frage.

Foto: APA/Schlager

Ich bin seit vielen Jahren Mitglied der Beamtengewerkschaft Göd, zahle meinen, von der Steuer absetzbaren Mitgliedsbeitrag automatisch jeden Monat und habe mich bislang wenig um meine Gewerkschaft gekümmert. Als ich im Sommer im Göd-Magazin las, dass der alle fünf Jahre abzuhaltende Bundeskongress Anfang November stattfinden würde, dachte ich mir, etwas gegen (meine) Politikverdrossenheit zu tun und wandte mich mit der Frage, ob und wie ich an diesem Kongress teilnehmen könne, an meine Gewerkschaft.

Wochenlang hörte ich nichts, nach einem freundlichen Erinnerungs-Mail erhielt ich vom für "Organisation, Presse/Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaft" zuständigen Vorstandsmitglied doch noch eine (holprige) Antwort:

"Auf Grund der eindeutigen Bestimmungen der Geschäftsordnung ist eine Teilnahme am Bundeskongress leider nicht möglich. Diese sieht vor, dass der Bundeskongress ua aus den gewählten Delegierten. (?) Diese Delegierten werden von den Bundesvertretungen sowie den Landesvertretungen nominiert, und zwar bei den so genannten Bundestagen bzw. den Landeskongressen. Diese Tagungen wurden im Frühjahr abgehalten, die Delegierungen wurden bis Juni 2011 vorgenommen. (...) Ich würde mich aber freuen, wenn Sie sich in Ihrer Dienststelle als Gewerkschaftsfunktionär einbringen würden und vielleicht bei zukünftigen Tagungen als Delegierter dabei sein könnten."

Eine Mail, worin ich bat, über die Delegiertenwahl informiert zu werden, blieb vorerst unbeantwortet.

Auf der Website der Göd und der der Hochschullehrer-Gewerkschaft fand ich zwar allerhand, aber weder die Geschäftsordnung, noch irgendwelche Wahlergebnisse irgendwelcher Wahlen, bloß, dass beim "Bundestag der BV 13" (das ist die Bundesvertretung der Universitätsgewerkschaft) im Mai 2011 die bisherigen Vorsitzenden (von wem?) wiedergewählt wurden.

Nun weiß der interessierte Staatsbürger, dass die Göd die einzige "schwarze" Gewerkschaft ist und ihr langjähriger Vorsitzender sich dieser Tage wiederwählen lassen will und mir schwant, dass diese Wiederwahl irgendwie auch mit meiner Stimme erfolgen wird.

Gibt die Geschäftsordnung darüber Auskunft? In einem der Jahrbücher der Göd fand ich sowohl die Geschäfts- als auch die Wahlordnung. Erstere führt 21 (!) Organe auf, vom Gewerkschaftstag über Bundessektionstage, Bundesfachgruppen hinunter bis zu den Betriebsausschüssen.

Zu keiner Wahl auch nur einer dieser Organe wurde ich je eingeladen oder erfuhr davon, dass sie stattfänden.

Alle paar Jahre findet an meiner Dienststelle eine Betriebsratswahl statt, die mit einer Wahl ungefähr so viel zu tun hat, wie Wahlen in der untergegangenen Sowjetunion: Es kandidiert eine Einheitsliste, die im November 2008 von 10,7 Prozent der Wahlberechtigten "gewählt" wurde. Die Listenbezeichnung "ULV/UPV" (Universitätslehrerverband/Universitätsprofessorenverband) ist nicht einmal für Eingeweihte decodierbar, vor allem aber weiß niemand, in welcher Beziehung solche Einheitslisten zu den politischen Fraktionen stehen.

Sind vielleicht die Ergebnisse der Betriebsratswahlen zugleich das Wahlergebnis des Gewerkschaftlichen Betriebsausschusses, zu dem ja nur Gewerkschaftsmitglieder wie ich und nicht wie bei der Betriebsratswahl alle Beschäftigten wahlberechtigt sind?

Im §3 Absatz 3 der GO heißt es kryptisch: "Bei der Wahl (Bestellung) der Mitglieder der Organe (...) ist das Stärkeverhältnis der Wählergruppen (... ) zugrunde zu legen. Wählergruppen, auf die insgesamt weniger als 5 Prozent der gültigen Stimmen entfielen, sind nicht zu berücksichtigen."

Hinter den "Wählergruppen" verbirgt sich offenbar, was man als Fraktionen bezeichnet, doch welcher fällt meine Stimme zu?

Bei der Bundespersonalvertretungswahlen 2009 wurden im Bereich des Wissenschaftsministeriums 1141 (!) gültige Stimmen abgegeben, was zu einer Mandatsverteilung von 3 FCG, 1 FSG und 1 Unabhängige führte. Irgendwie - aber wie? - wurde da wohl auch meine Stimme einer Wählergruppe/Fraktion zugerechnet. Welchen Reim soll man sich darauf machen?

Es scheint mir, dass die Beamtengewerkschaft in geradezu prototypischer Weise das verkörpert, was vor nunmehr schon hundert Jahren der Soziologe Robert Michels das "eherne Gesetz der Oligarchie" nannte. Er fand heraus, dass Organisationen, die Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hatten, in den Führungsfunktionen von immer denselben Leuten dirigiert wurden, die formal (wieder)gewählt werden, wobei aber die Wahlprozeduren undurchschaubar sind. Auch die Göd hält sich wohl für eine demokratische Gewerkschaft, doch ihre interne Struktur ist verschlungen und intransparent. Weder werden Wahlen angekündigt, noch werden Wahlergebnisse veröffentlicht.

Warum ist das so, und warum lässt sich das nicht ändern? Die Zufriedenheit der meisten Mitglieder der Göd resultiert aus den in der Regel mehr als befriedigenden Lohnabschlüssen und Serviceangeboten, über die man seitens der Göd bestens informiert wird. Das genügt offenbar den 230.000 Mitgliedern, hilft es auch der Demokratie?

PS: Am Wochenende erhielt ich dann doch noch von der Göd Post, die die Geschäftsordnung 2006 enthielt, aus der ich entnehmen konnte, was ich schon herausgefunden hatte: §5 Abs. 3: "Der Bundeskongress besteht aus den gewählten Delegierten." Wie ich es schaffen hätte können, dazu zu gehören, blieb unbeantwortet. Aber falls ich wirklich ernsthaftes Interesse an der Mitarbeit habe, könne mir in einem Gespräch nähergebracht werden, wie das möglich sei. (Christian Fleck, DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2011)