Stoffamele und ägyptische Krieger: der Souk von Assuan in einer Ansichtssache.

Foto: Benedikt Loebell

Überfahrt auf dem überfüllten Schiff in einer Ansichtssache.

Foto: Benedikt Loebell

Erste Eindrücke von Wadi Halfa in einer Ansichtssache.

Foto: Benedikt Loebell

Kranksein ist nicht lustig. Erst recht nicht, wenn man auf Reisen ist. Durchfall und Fieber haben mich gleich nach meiner Ankunft ereilt. Wie gut nicht auf dem Schiff zu sein, denke ich mir oft, wenn ich mit Aircondition im Bett liege und die Toilette nur zwei Meter entfernt ist.

Die Haupteinkaufsstraße Assuans, der sogenannte Souk, wird von Händlern, Touristen und einheimischen Käufern stark besucht. Vormittags kommt man noch gut durch die engen Gassen der Stadt, nachmittags ist es schon fast nicht mehr möglich und abends ist der Strom der Menschen so groß, dass ein Durchkommen fast nicht möglich ist. 

Als Ausländer wird man, je nach Tag, je nachdem welches Boot gerade angelegt hat und welche Führer die Touristengruppen durch die Gegend führen, in den jeweiligen Sprachen angesprochen- "Hola Chico, Ciao Bello, Hy Man, what's up? Hey Man, I can help you to spend your last money, ..." Interessante Taktik um Menschen das Urlaubsgeld aus der Tasche zu ziehen. Aber: Je öfter man durchgeht, desto weniger wird man angesprochen. Ich wurde sehr bald als Nemssaui - als Österreicher - identifiziert, sie hatten mich schnell mit dem Auto assoziiert, welches eine Woche lang in der Nebenstraße gestanden hatte.

Alle wollen einem etwas verkaufen, ob es Gewürze sind, oder Schals, Schuhe, Gemüse oder doch lieber ein Kamel aus Stoff? Die Gerüche sind umwerfend, alle Sorten von orientalischen Düften die man sich in einem Souk vorstellen kann schwirren mir um die Nase. Immer wieder jedoch bekommt man auch eine Salve von einem furchtbaren Gestank ab. Es gibt mannigfaltige Geschäfte wo Nilbarsch in einem undefinierten Gewürz eingelegt und in altem Öl abgebraten verkauft wird. Pfui Teufel ... 

Mein Hotel ist, bis auf die verschmutzen Böden, ganz in Ordnung. Auch, dass "Überbleibsel" meines/r Vorgänger/s an der Toilette noch vorzufinden sind, stört mich nicht besonders. Erst als ich meine erste Dusche nach drei Tagen Wüste wage, wird es wirklich unappetitlich: Der Duschboden ist glitschig, verschmutzt und im Abfluss sind noch die Haare von mehreren Vorgängern.

Die Überfahrt nach Wadi Halfa

Um 11 Uhr am Vormittag treffe ich am Hafen ein, werde von meinem Mittelsmann am Gate abgeholt und durch Sicherheitskontrolle und Zoll geschleust. Das Boot ist bereits um 12 Uhr gerammelt voll, wir legen aber erst um 18 Uhr ab. Keiner weiß warum es so lange dauert, aber es dauert eben. Jeder sucht sich einen Platz, überall herrscht heftiges Treiben, es ist ein Kommen und Gehen, es wird gestapelt, gezurrt und befestigt, es werden Planen gegen de Sonne aufgehängt, jemand macht ein Schläfchen hier, ein anderer isst eine Jause dort.

Die Mehrheit der Menschen an Bord sind Kamelzüchter, welche in 40 Tagen durch die Wüste gewandert, in Ägypten ihr Tiere verkauft haben und jetzt mit dem neu erworbenen Gütern (Kühlschränke, Satellitenanlagen, Fernseher, Spielsachen, Fahrräder, Kochgeschirr, Bilderrahmen, Stühle, Tische, Waschmaschinen, Mikrowellenherde, Wäsche...) in ihre Heimat Sudan fahren.

Mahmoud, der Manager des Hafens und mittlerweile mein bester Freund in Ägypten, kennt den Kapitän des Schiffes und verschafft mir eine Sondergenehmigung, die es mir erlaubt, mich relativ frei auf dem Schiff bewegen zu können. Dies inkludiert die Brücke und den Bereich der nur dem Captain vorbehalten ist. Das Boot hat offiziell Platz für 500 Passagiere; wir sind aber knapp 650 Personen - und da wurde das zusätzliche Cargo noch nicht mit ein berechnet. Probleme sind also vorprogrammiert. Für alle diese Menschen gibt es je vier Toiletten pro Geschlecht, die schon im Laufe der ersten Stunden unbenutzbar werden. Hinzukommt, dass sich Moslems vor dem Beten nicht nur die Hände sondern auch die Füße waschen, damit steht in den Toiletten das Wasser schon sehr schnell Finger hoch. Anscheinend muss dann in der Nacht auch die Toilette übergegangen sein - Gott sei Dank, verbrachte ich die Nacht oben auf offenem Deck.

Es ist wunderschön. Der Mond und die Sternen funkeln und strahlen um die Wette. Es ist, bis auf den Schiffsmotor, nichts zu hören. Die Luft ist herrlich erfrischend, außer der Wind dreht, dann riecht es "wunderbar" nach Diesel. Die Nacht ist rau, sehr kühl, windig und unerwartet kurz. Um fünf Uhr am Morgen werden die Moslems zum ersten Gebet gerufen und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Der wunderschöne Sonnenaufgang entschädigt mich aber für die karge Nachtruhe. 

Langsam bilden sich vor den Toiletten Schlangen von Menschen, jeder mit seiner Zahnbürste ausgerüstet. Es wird wieder gepackt, geräumt, nicht ganz verständlich, da wir noch ca. sieben Stunden an Deck sein werden. Aber Ordnung muss sein! 

Abu Simbel und Ankunft in Wadi Halfa

Ein unglaublicher Anblick erwartet mich zwei Stunden später: die Felsentempel von Abu Simbel. Das sind Statuen des Pharaos Ramses II aus der 19. Dynastie des altägyptischen Neuen Reiches. Die Tempel wurden 1960 auf Grund der Flutung des Niltals durch den Stausee auf höheres Gelände verlegt. Ein umwerfender Anblick!

Stunden später dann endlich Ankunft in Wadi Halfa. Die Hektik beginnt erst nach einer Stunde, als die Zöllner und Sicherheitsleute endlich das "Okay" geben. Jeder versucht so schnell wie möglich vom Boot zu kommen. Alle Habseligkeiten werden mit Schnüren, Bändern und Lastenseilen vom Boot auf den Kai gelassen.

Die Touristen müssen sich noch in einer elendslangen Schlange anstellen, um sich das so genannte "Freie Reisepapier" zu holen. Mit diesem ausgestattet, können wir endlich durch eine Öffnung in der Bordwand ans Licht, die an einen Tunnel erinnert, indem vier Menschen Platz haben, aber acht Personen gleichzeitig rein und raus wollen. Draußen angekommen, müssen wir durch die Passkontrolle. Dann zur Zollkontrolle, wo jedes Gepäckstück genauestens nach Waffen untersucht wird. Dann sind wir endlich draußen. Das Auto kann ich nicht mehr in Empfang nehmen, dafür ist es mit 16 Uhr zu spät. Hoffe also auf den folgenden Tag.

Glück am Zoll

Obwohl ich für halb neun am Morgen am Hafen erwartet wurde, muss ich bis halb drei am Nachmittag warten, bis ich mein Auto in Empfang nehmen kann. Gott sei Dank treffe ich ein sehr nettes australisches Paar, welches die Reise in umgekehrter Richtung macht und mir sehr wertvolle Tipps für meine eigene Weiterreise geben kann. Als ich dann schlussendlich das Auto abhole und überraschend ohne große Probleme durch den Zoll und die Polizeikontrolle komme, fällt mir ein Stein vom Herzen; ich hatte in den letzten Tagen Horrorgeschichten davon gehört, welche Probleme am Zoll warten können - alles aus dem Auto auspacken, jedes Gepäckstück aufmachen, Kontrolle nach Waffen und Alkohol - von all dem ist mir nichts widerfahren.

Die kommenden Tage erwiesen sich als besonders pittoresk. Ich folge dem Nil, gondele an seinen Ausläufern dahin, teils auf einer von Chinesen gebauten Straße, teils direkt zwischen den Häusern der Landwirte entlang. Ich streife durch endlose Dattelpalmenhaine, fahre zwischen Sanddünen, die bis zum Fluss reichen hindurch und sehe wunderschöne kleine Zitadellen und Moscheen - so gelange ich abends nach Dongola.

Wracks am Sand

Südlich von Dongola, in Kerma finde ich den heiligen Berg der Nubia, der dem Gott Ammun geweiht ist. Er ist eine imposante Erscheinung, da es weit und breit keinen anderen Berg oder Hügel in dieser Gegend gibt. An seinen Ausläufern entdecke ich alte Nilkreuzfahrtsschiffe, die bis in die 1990er-Jahre die Strecke Kerma - Dongola fuhren. Als diese Strecke unrentabel wurde, zog man diese Schiffe einfach an Land - und ließ sie dort liegen. Es sind Zeugen vergangener Tage, als es auf dem Nil noch bemannte Schifffahrt gab.

Am kommenden Tag erfahre ich von einem Mitarbeiter der  dänischen Botschaft, dass in der kommenden Woche keine Botschaft in Khartoum offen habe. Die Pilgerreise nach Mekka beginnt. Ich erfahre vom Mitarbeiter der äthiopischen Botschaft: "Please come on Sunday in a week".

Und nun? Soll ich mit dem Flieger nach Addis Abbeba fliegen, dort ein Touristenvisum erhalten und wieder zurück fliegen? Die Kosten wären horrend, doch das Verhältnis zwischen der Zeit die ich "verliere", wenn ich eine Woche hier bleibe und den Kosten die durch den Flug auf mich zukämen, wäre verhältnismäßig in Ordnung. Allerdings ist mein Visum für den Sudan ein "single entry" Visum.

Es scheint, als ob ich wieder einmal festsitze. Diesmal im Sudan.