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"Silvio ist am Ende", heißt es selbst in den eigenen Reihen.

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Antonione, Anführer der "Rebellen".

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Innenminister Maroni.

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Parteisekretär Alfano.

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Berlusconis "Koordinator" Verdini.

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UDC-Chef Casini.

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PD-Chef Bersani.

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Staatspräsident Napolitano.

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Der Chefredakteur der konservativen Tageszeitung Il Foglio sorgte am Montag für Aufsehen mit seinem Artikel, wonach Silvio Berlusconi noch am Montag, jedenfalls aber noch vor der am Dienstag stattfindenden Budget-Abstimmung, zurücktritt. Der Rücktritt sei "eine Frage von Stunden, vielleicht Minuten", vermeldet deren Chefredakteur Giulio Ferrara, dem eine Nähe zu Berlusconi nachgesagt wird. Die ebenfalls durchaus Berlusconi-freundliche Tageszeitung Libero berichtete am Montag auch von den "letzten Stunden des Premiers". Franco Bechis, deren stellvertretender Chefredakteur, spricht auf Twitter von einem Rücktritt bis Dienstag Früh. Berlusconi widerspricht: Er habe nicht vor zurückzutreten, die Gerüchte seien unbegründet, es sei ihm ein Rätsel, wie diese Meldung zustande kommen könne. Das gab der Premier nach einem Geschäftsessen mit seinen Kindern Pier Silvio und Marina sowie dem Präsidenten seiner TV-Sendergruppe Mediaset, Fedele Confalonieri, in seiner Privatvilla Arcore in Mailand bekannt. Auch auf Facebook widerspricht der Premier per Posting den Gerüchten, was eine Flut von Kommentaren mit Beschimpfungen ausgelöst hat.

Laut Bechis habe sich der Premier nach dem Essen in Mailand dazu entschlossen, beim Votum "alle herauszufordern". "Morgen wird gewählt", zitiert ihn die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera. "Ich will dabei denen, die mir in den Rücken fallen, ins Gesicht schauen." Um zu retten, was noch zu retten ist, hat Berlusconi nun kurzfristig Treffen mit abtrünnigen Parlamentariern einberufen. Rückendeckung erhielt er Montag Nachmittag von seinem Sozialminister, Maurizio Sacconi (PdL). "Wir werden die nötigen Stimmen haben", gab sich dieser optimistisch. Und am Abend versicherte Berlusconi während einer telefonischen Live-Schaltung, dass "wir morgen (Dienstag, Anm.) die Mehrheit haben werden, um die Reformen umzusetzen, die die EU von uns fordert und die für den Wirtschaftsaufschwung notwendig sind."

Ferrara beharrt indes weiter darauf, dass der Premier spätestens nach dem Votum am Dienstag zurücktreten werde. Sollte Berlusconi die nötigen Stimmen (mindestens 316) verfehlen, könnte Staatspräsident Giorgio Napolitano die Regierung auflösen.

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Italiens Innenminister Roberto Maroni (Lega Nord) gesteht öffentlich ein, dass der Mitte-rechts-Regierung die Mehrheit abhanden gekommen ist. "Berlusconi hat keine Mehrheit mehr", sagte er unmissverständlich während eines Interviews in der TV-Show "Che Tempo Che Fa" am Sonntagabend. Berlusconis Partei, die PdL (Popolo della Libertà, Volk der Freiheit), sei kurz vor dem kompletten Zusammenbruch, sagte Maroni: "Ich glaube nicht mehr, dass diese Regierung lang halten kann." Die Mehrheit sei weg, "es hat keinen Sinn mehr, weiterzumachen". Er halte es für unwahrscheinlich, dass Berlusconi freiwillig seinen Rücktritt einreichen werde und nannte zwei Szenarien: Berlusconi schlägt doch noch selbst seinen Nachfolger vor, wodurch die Koalition am Leben erhalten werden könnte, oder es kommt zu vorgezogenen Wahlen. Maroni nannte kommenden Jänner als möglichen Termin dafür. Bisher war meist von März 2013 als möglichen Wahltermin die Rede.

Roberto Maroni ist die Nummer Zwei in der vom Umberto Bossi angeführten Partei und Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord. In den eigenen Reihen schwindet die Mehrheit für Berlusconis Partei zusehenden Auges. 20 Parlamentariere der PdL haben dem Premier bereits den Rücken zugekehrt. An der Spitze der so genannten "Rebellen" steht Roberto Antonione, ehemaliger Präsident der Region Friaul Julisch Venetien. Sein Ziel ist eine eigene Fraktion im Parlament und das Provozieren von Neuwahlen.

Der TV-Auftritt Maronis:

Quelle: Youtube

PdL-Spitze rät Berlusconi zum Rücktritt

Berlusconi verfügt derzeit über nur mehr 314 Stimmen in der Abgeordnetenkammer. Das sind genau so viele Abgeordnete wie jene der Opposition. Und weil selbst diese Truppe wackelt, rät selbst die bisher loyale Spitze der PdL dem Premier zum Rücktritt. Laut der Römischen Tageszeitung La Repubblica üben seit Sonntag Parteisekretär Angelino Alfano, Staatssekretär Gianni Letta sowie die Fraktionsvorsitzenden im Senat wie auch in der Kammer Druck auf den Premier aus, um mit dem schwächelnden Regierungschef nicht die gesamte Regierung in den Abgrund zu stürzen. "Silvio ist am Ende" zitiert die Relubblica eine Quelle aus diesem Kreis.

Berlusconi wehrt sich weiterhin mit Händen und Füßen, das Handtuch zu werfen. In der Zwischenzeit sprach er sich zwar für Neuwahlen im Jänner aus, beharrt aber weiterhin darauf, bis dahin im Amt zu bleiben. Seine Minister befürchten "eine Lawine", berichtet die Repubblica. Die Anzahl der Unzufriedenen steige stetig, der Koordinator der PdL, Denis Verdini, geht von drei weiteren Parlamentarieren aus, die sich von der PdL lösen könnten. Verdini, auch als "Chefeinkäufer der Partei" bekannt, versucht daher indessen, Abgeordnete von der Opposition abzuwerben. Berlusconi selbst bemüht sich derweil persönlich darum, die abtrünnigen Abgeordneten wieder ins Boot zurückzuholen. So habe Berlusconi jeden einzelnen der "Rebellen" angerufen und umworben, schreibt der Corriere della Sera. Mindestens 16 der 20 Abgeordneten seien allerdings definitiv nicht mehr zu bekehren, schreibt der Corriere della Sera.

Regierung sucht Mehrheit

Parteisekretär Alfano buhlt derweil um die Unterstützung durch die Zentrumspartei UDC (Unione dei Democratici Cristiani e Democratici di Centro, Union der Christdemokraten und Zentrumsdemokraten). Die PdL versucht verzweifelt, eine stabile Mehrheit durch Mitte-rechts, also ohne Einbinden der Mitte-links-Partei Demokratische Partei PD (Partito Democratico) herzustellen. Liebstes Szenario der PdL wäre im Moment eine Regierung mit Parteisekretär Alfano als Premier und dem jetzigen Innenminister Maroni als Vizepremier. Diesem Plan machte nun allerdings der Chef der UDC, Pier Ferdinando Casini, einen Strich durch die Rechnung: Während er zuvor immer eine Unterstützung unter der Bedingung von Berlusconis Rücktritt in Aussicht gestellt hatte, fordert er jetzt zusätzlich die Beteiligung der größten Oppositionspartei, der PD, an der Regierung. Beharrt Casini auf dieser Forderung, führt kaum ein Weg an Neuwahlen vorbei.

Die nächste entscheidende Hürde stellt die für Dienstag anberaumte Abstimmung über das Budget dar. Bei einem ähnlichen Votum vergangenen Oktober hat die Regierung eine schwere Niederlage erlitten. Die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore berichtet von Befürchtungen seitens der PdL, bei dieser Abstimmung auf nur 306 Stimmen hoffen zu können. Weiters für diese Woche geplant ist eine Vertrauensabstimmung im Senat über das Stabilitätsgesetz zur Eindämmung der Verschuldung. Im Senat verfügt der Premier zwar noch über eine solide Mehrheit, verliert er noch mehr Parlamentarier in der Abgeordnetenkammer, hilft ihm diese auch nicht mehr weiter.

Szenario Übergangsregierung

Ein weiteres Szenario für eine politische Zeit nach Berlusconi wäre eine Übergangsregierung mit einem parteilosen Experten an der Spitze, der das Land bis zu den nächsten Wahlen führen soll. Genannt wird hier immer wieder Mario Monti, ehemaliger EU-Wettbewerbs-Kommissar (1999-2004), Wirtschaftswissenschafter sowie Ex-Präsident der Mailänder Eliteuniversität Bocconi.

Staatspräsident Giorgio Napolitano stemmt sich weiterhin gegen vorgezogene Wahlen, da er noch mehr Chaos für das ohnehin in der Krise steckende Land befürchtet. Er hat bereits mit allen Parteien Sondierungen über Auswege aus der Krise besprochen. Nur er könnte Neuwahlen ansetzen, falls er keine Mehrheit mehr im Parlament sieht. In diesem Fall könnte er aber auch einen neuen Ministerpräsidenten ernennen.

Noch mehr Gegenwind

Gegenwind kommt auch von dem PdL-Abgeordneten Gianfranco Rotondi, der Berlusconi öffentlich ankreidet, einer stabilen Regierung im Weg zu stehen. Er hat 27 Unterschirften eingesammelt für seine Beschwerde darüber, dass Berlusconi den Berlusconismus verraten habe. "Ein weiteres Paradoxon in Zeiten der Krise", beurteilt die Repubblica diesen Schritt. (fin, derStandard.at, 7.11.2011)