Anja Appel (36) promovierte an der Uni Münster in Politikwissenschaft und lebt seit 2003 in Wien, am 1. November wurde die Entwicklungshilfeexpertin Generalsekretärin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö).

Foto: kfbö/Appel

Standard: Verstehen Sie die Anliegen der Pfarrerinitiative?

Appel: Ja. Die Dinge, die angesprochen werden, sind schon lange Baustellen in den Pfarren.

Standard: Der Aufschrei kommt von den Pfarrern. Wo sind die katholischen Frauen, gefordert wird ja auch die Frauenpriesterweihe?

Appel: Es ist gut, wenn sich Priester auch zu Wort melden, weil sie ja als Amtsträger Teil des Systems sind. Wir kämpfen schon lange für die Weihe von Frauen. Nur, das wird nicht gehört.

Standard: Frauen finden kein Gehör in der Kirche?

Appel: Zu wenig.

Standard: Die Bischöfe betonen aber gerne, wie wichtig die Frauen in der Kirche sind, dass sie in diversen Führungspositionen arbeiten.

Appel: Es gibt eine ehrlich gemeinte Wertschätzung, aber es braucht mehr als Worte, wenn man von einem Amt ausgegrenzt wird. Da kommt Wertschätzung als Hohn an.

Standard: Wird sich die Kirche in dieser Frage je bewegen?

Appel: Die Forderungen der Pfarrerinitiative sind ja nach Umsetzungsmöglichkeiten abstufbar. Man sollte es angehen. Traut man den Umfragen, sind die meisten Getauften in Österreich der Meinung, dass etwa der Pflichtzölibat aufgelöst gehört. Für die jetzige Kirchenpolitik in Österreich gibt es wenig Verständnis.

Standard: Ab Montag tagen die Bischöfe. Erwarten Sie Impulse?

Appel: Ich warte nicht jede Woche auf Impulse seitens der Bischöfe. Ich freue mich, wenn es die gibt.

Standard: Stört es Sie, ständig auf die innerkirchlichen Spannungsfelder angesprochen zu werden?

Appel: Es geht um Macht und um Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Debatten sind daher nie müßig. Die Frage ist, ob nicht zu viel Energie nur in diesen Streit fließt.

Standard: Wo braucht es Energie?

Appel: Ein wichtiges Thema ist die Gleichberechtigung von Frauen in Gesellschaft und Wirtschaft. Es gibt etwa eine steigende Zahl von Frauen, die mehrere Jobs haben und trotzdem nicht ausreichend ökonomisch abgesichert sind.

Standard: Erarbeiten Sie dazu eigene Konzepte?

Appel: Wir bieten Bildungsseminare an und geben Frauen die Möglichkeit, ihre Themen zur Sprache zu bringen. In Wien gibt es das Projekt "innenRäume", da suchen wir gerade ein geeignetes Haus, in dem Raum für Begegnung entstehen soll. Und wir beteiligen uns an laufenden Debatten.

Standard: Heißt es da nicht schnell: Kümmert euch zuerst einmal um euren eigenen Verein?

Appel: Wir müssen eben mehrere Dinge im Auge behalten: Lassen wir uns nur auf die Kirchendebatte reduzieren, dann würden wir einen Großteil der anderen Lebensrealität von Frauen ausblenden. Im Gegenteil: Ich sehe das größte Potenzial in der politischen Gestaltungsrolle. Wir heißen nicht umsonst Frauenbewegung. (Peter Mayr, DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2011)