Bei dem in strömendem Regen am Abend zu Ende gegangenen G-20-Gipfel in Cannes gab es nur wenig zu lachen. Fast rund um die Uhr jagte eine Sitzung der 19 Staats- und Regierungschefs aus den Industrie- und Schwellenländern, die durch die EU-Spitzen José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy komplettiert wurden, die andere. Die miserable Lage in Europa durch die Eurokrise, die laufende Achterbahnfahrt in Athen und etwas bizarre Auftritte von Italiens Premier Silvio Berlusconi überlagerten fast völlig die anderen Themen.
Die Vertreter Chinas, Indiens oder Brasiliens kamen oft aus dem Staunen nicht heraus, was für diffizile, widersprüchliche, für Außenstehende kaum zu entziffernde Probleme die Europäer haben. US-Präsident Barack Obama war es schließlich, der dies mit feiner Ironie ansprach und beim Gipfel für heiteres Lachen sorgte. "Es gibt wirklich viele Institutionen hier in Europa", ließ er bei seiner weltweit beachteten Pressekonferenz im Festspielhaus nebenbei fallen. Da gäbe es die Kommission, das EU-Parlament, die vielen Parlamente, die Räte, Merkel, Sarkozy, Barroso, Van Rompuy.
Nach dem ersten Gekicher unter den Journalisten legte er nach: "Wissen Sie, Sie alle gaben mir hier in den letzten Tagen einen richtigen Crash-Kurs über Europa. Hier gibt es viele, viele Sitzungen, die sind ziemlich zeitfressend", sagte er und schmunzelte verschmitzt.
Die Anspielung galt einem Donnerstagabend spontan einberufenen Euro-Minigipfel, zu dem Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach dem offiziellen G-20-Abendessen noch eingeladen hatte: den dritten nach dem Showdown mit dem griechischen Premier Papandreou zum Auftakt und dem Mini-Euro-Gipfel mit Spanien und Italien am Vormittag. Mit Sarkozy und der deutschen Kanzlerin saßen dort spätnachts also wieder Italiens Premier Silvio Berlsuconi, Spaniens Premier Zapatero, die Chefs von EU und Währungsfonds. Hauptthema: Wie kann man einem Angriff der Märkte auf Italien begegnen? Wie kann man den Eurorettungsschirm in Billionenhöhe verstärken? Dazu wurde gegen Mitternacht schließlich noch Obama dazugebeten, um die Finanzierungsfragen beim IWF abzusichern. Der US-Präsident erschien nach Angaben des Corriere della Sera im Jogginganzug.
Dennoch: Im ernsten Teil seiner Ausführungen zum Abschluss des Gipfels zeigte er sich der Präsident dann absolut überzeugt davon, dass die europäischen Partner ihre Probleme am Ende hinbekommen werden. Die USA wollten ein starker Partner sein, die G 20 seien bereit, die Europäer zu unterstützen. Obama: "Wir haben ihnen einige Ideen geliefert und einige Möglichkeiten aufgezeigt."
Cannes dürfte der US-Präsident aber auch noch aus einem anderen Grund für immer in Erinnerung bleiben. Sarkozy, der im Mai die Wiederwahl anstrebt, inszenierte am Alten Hafen vor dem Rathaus noch eine pathetische gemeinsame Feier mit Obama, bei der die enge Beziehung, die gemeinsame Geschichte bis hin zur Besiedlung Amerikas beschworen wurde, und die militärische "Waffenbrüderschaft". Eine Militärkapelle spielte die Hymnen der beiden Länder, dann wurden die Hymnen gleich noch einmal von einem Männerchor gesungen. Ein paar hundert Franzosen applaudierten und jubelten artig: in strömendem Regen. Es goss wirklich wie mit Schaffeln.
Der Clou dabei: Die Präsidenten hatten - wohl um die Würde (für die Fernseh- und Wahlkampfbilder hervorzustreichen, keine Regenschirmträger, standen ewig lange einsam im Wasser. Obama sah nach zehn Minuten aus wie ein begossener Pudel, und musste darüber sichtlich selber lachen. In seiner Abschiedsrede bedankte er sich bei Sarkozy, Frankreich, den Leuten von Cannes ganz herzlich für die Gastfreundschaft (bei dem wirklich sehr gut organisierten Gipfel), und er spottete: "Danke vor allem für das schöne Wetter!" Dann entschwand er mit Sarkozy nach Paris.