Wien - Mit Spielen sich die Zeit zu vertreiben scheint ein harmloser Spaß. Dass in Ulrike Syhas Stück "Herr Schuster kauft eine Straße" der Wettstreit am Monopoly-Brett quasi nur die Vorbereitung zur abschließenden, kleinbürgerlichen Privat-Apokalypse darstellt, taucht die Freizeitgestaltung in neues Licht. Wiewohl es eigentlich gar nicht zum Spiel kommt, sondern in fragilen Mutter-Töchter-Beziehungen sich gegenseitig genüsslich der Existenzboden unter den Füßen weggezogen wird. Das Werk der deutschen Autorin feiert am Montag im Theater Drachengasse in Wien seine Österreichische Erstaufführung.

Als "linksliberaler Garten" wird der Ort des Geschehens beschrieben, in dem sich der Titelgebende Herr Schuster einer geballten Ladung Frauen-Power gegenüber sieht: Zu Gast in der Idylle sind die Schwester und Mutter seiner Ehefrau, ein ungenannter Gast soll die Runde komplettieren. Doch die Wartezeit wird zur harten Probe, kleine Sticheleien und große Horrorvisionen stehen am Programm. Der Mann beobachtet und kommentiert das Geschehen, während sich das lettische Au-pair-Mädchen im Liegestuhl räkelt. Am Ende stehen ein nichtbegonnenes Spiel und die Möglichkeit eines Massakers.

Statistische Vororthölle

Bereits im vergangenen Jahr stand mit "Fracht - Nautisches Denken I-IV" ein Stück der jungen deutschen Autorin am Spielplan des Theaters Drachengasse, wie damals zeichnet auch aktuell Katrin Schurich für die Regie verantwortlich. Die 35-jährige Syha wurde 2002 mit dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker für "Autofahren in Deutschland" ausgezeichnet, uraufgeführt wurde das Stück im Dezember desselben Jahres am Thalia Theater in Hamburg. Zweimal war sie bei den Mülheimer Theatertagen - 2003 mit "Nomaden" und 2009 mit "Privatleben" - vertreten. 2007 wurde "China Shipping" am TAG in Wien uraufgeführt.

Die gebürtige Wiesbadnerin Syha, die Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig studierte, zimmert in "Herr Schuster kauft eine Straße" eine statische Vororthölle und bringt das Politische und Gesellschaftskritische im Privaten an die Oberfläche. "Es gibt ein ganz großes Wollen, den unterschwelligen oder manchmal auch sehr expliziten Wunsch, das eigene Leben wieder politischer werden zu lassen, vielleicht sogar revolutionärer. Grundsätzlich halte ich dieses Anliegen für richtig. Und notwendig", wird die Autorin im Gespräch mit Regisseurin Schurich zitiert. Uraufgeführt wurde das Werk über Moral und Weltanschauung im vergangenen Jahr am Mannheimer Nationaltheater, wo Syha in der Spielzeit 2009/10 als Hausautorin beschäftigt war. Neben ihrer Arbeit als freie Autorin ist die 35-Jährige als Übersetzerin für den Rowohlt Theater-Verlag tätig. (APA)