Pascal Groß (Orest), Elli Wissmüller (Elektra).

Foto: Tiroler Landestheater

Innsbruck - Die Bühne wird beherrscht von riesigen grauen Betontrümmern. Dahinter erhebt sich düster ein Bergmassiv, und seitlich an der Bühnenkante liegt völlig unbeachtet ein geschächtetes Schaf. In der Burg zu Argos erwartet man den siegreichen Agamemnon, der nach zehnjährigem Kriegszug gegen Troja jetzt endlich heimkehren wird. Aber seine Frau Klytaimnestra wird ihm einen blutigen Empfang bereiten.

Denn er hat die gemeinsame Tochter Iphigenie opfern lassen, um die Götter für seinen Feldzug milde zu stimmen. Als Agamemnon (Helmuth A. Häusler) und Kassandra (Ulrike Lasta), die er als Kriegsbeute und Mätresse mit sich führt, seinen Palast betreten, ist beider Schicksal auch schon besiegelt.

Klytaimnestra (Judith Keller) erscheint blutbesudelt und präsentiert triumphierend deren abgeschlagenen Köpfe (die naturgetreu nachgebildeten Schädel wecken wenig Grauen, sondern vielmehr die Erinnerung an makabere Faschingsartikel).

Klaus Rohrmoser startet in seine letzte Saison als Schauspieldirektor des Tiroler Landestheater mit der ältesten Tragödie des Abendlandes. Die Orestie von Aischylos wurde 458 v. Chr. in Athen uraufgeführt. Rohrmoser hat sich für Peter Steins gelungene Prosaübersetzung entschieden und eine solide Regiearbeit vorgelegt. Der Inszenierung mangelt es jedoch zu Beginn an Tempo; das Ensemble zeigt großteils achtbare Leistungen.

Die Trilogie - Agamemnon, Choephoren, Eumeniden - erzählt vom Fluch, der auf dem Hause Atreus lastet. Ungeheure Bluttaten - Kinder werden dem eigenen Vater zum Fraß vorgesetzt - werden über Generationen hinweg durch immer neue grausame Bluttaten gerächt. Auch Agamemnons Tod bleibt nicht ungesühnt. Seine beiden Kinder Orest (ein überraschend wendiger Pascal Groß) und Elektra (Elli Wissmüller) ermorden im zweiten Teil die Mutter Klytaimnestra und ihren Geliebten Aigisthos.

Im dritten Teil, als die Erinyen (Rachegöttinnen) Orest für sein Morden zur Rechenschaft ziehen wollen, greifen die Götter ein. Erstmals in der Geschichte kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. Pallas Athene (Margot Mayrhofer ist im scharlachroten Kostüm eine imposante Erscheinung) urteilt als Richterin letztlich für Orest und beendet damit das archaische Ritual der Blutrache.

Wer in der griechischen Mythologie nicht ganz sattelfest ist, dem sei das informative Programmheft empfohlen.  (Dorothea Nikolussi-Salzer/ DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2011)