Hedge- und Private-Equity-Fonds sollten wie Banken behandelt werden, um das Risiko für das Finanzsystem zu reduzieren.

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Wird die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Schattenbanken beim G-20-Treffen zähmen?

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Die Regulierung von Hedge- und Private-Equity-Fonds wird trotz der Hinweise, dass ihre Geschäfte die Finanzmarktstabilität kräftig bedrohen, noch auf sich warten lassen. Obwohl die einzelnen Staaten nach wie vor unzureichend zusammenarbeiten, stehen die Zeichen dafür aber dennoch so gut wie nie, meint die Ökonomin Mechthild Schrooten.

derStandard.at: Beim G20-Gipfel in Cannes steht auch die Regulierung sogenannter Schattenbanken wie Hedge- und Private-Equity-Fonds auf dem Tapet. Was erwarten Sie sich?

Mechthild Schrooten: Auf solchen Treffen wird immer gesagt, man möchte mehr Regulierung haben. Bisher hieß das aber nicht, dass es rasch dazu kommt. Man ist in der Tat schon ein paar Schritte gegangen, hat aber bislang noch keine radikalen Reformen durchgesetzt. Das Thema Regulierung steht bei Politikertreffen also immer noch auf der Tagesordnung, weil es schlicht und einfach noch nicht gelöst ist.

derStandard.at: Welche Länder sind hier die größten Bremser oder bremsen alle für sich?

Schrooten: Alle bremsen für sich. Das Problem ist, dass in der Eurozone letztendlich nur selten gemeinsam agiert wird, sondern nationale Interessen noch immer die größte Rolle spielen.

derStandard.at: Welche Möglichkeiten der Schattenbanken-Regulierung gibt es eigentlich?

Schrooten: Im Prinzip gibt es einen ganz simplen Mechanismus, nämlich, dass man die gleichen Eigenkapitalvorschriften wie bei den richtigen Banken hätte. Das Gleiche gilt für weitere Regulierungsvorschriften. Dann wäre es nicht mehr interessant, eine Schattenbank zu haben.

derStandard.at: Was sagen Sie zum Argument die Akteure des nicht regulierten Finanzsektors müssten nicht reguliert werden, da sie das indirekt bereits seien. Zum Beispiel weil sie die Tochtergesellschaften von klassischen Banken sind. Oder weil sie die klassischen Banken als Kunden haben und daher Auflagen erfüllen müssen.

Schrooten: Das sind nur Ausreden. Die Schattenbanken haben wir deshalb, weil eine fehlende Regulierung aus der Sicht der Finanzintermediäre geringere Kosten bedeutet. Zu sagen, eine indirekte, sozusagen eine abgeleitete Regulierung wirkt genauso wie eine direkte Regulierung, ist nicht zu belegen. Wäre es so, dann gäbe es keine Vorteile für Schattenbanken.

derStandard.at: Heißt das: Weniger Regulierung ist gleich weniger Kosten für das Finanzsystem, aber dafür steigt das Risiko für das gesamte Finanzsystem?

Schrooten: Ja. Wobei die Kosten nur kurzfristig niedriger sind, langfristig kann das sogar zu höheren Kosten führen. Auf Dauer kann man durch das höhere Risiko viel mehr verlieren. Für die lasche Regulierung haftet oftmals letztendlich der Steuerzahler.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Basel III ausreicht?

Schrooten: Nein, erstens muss Basel III erst umgesetzt werden, zweitens ist es nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das ändert aber nichts daran, dass wir erreichen müssen, dass Banken ihre Geschäfte mit wesentlich mehr Eigenmitteln unterlegen. Derivate zweiter Ordnung sind stärker zu kontrollieren und weitgehend vom Markt zu verdrängen. Hier kann Regulierung Wunder wirken.

derStandard.at: Was bedeuten Derivate zweiter Ordnung?

Schrooten: Dass Sie zum Beispiel einen Kredit vergeben, und der wird dann weiterverkauft, und wird noch einmal weiterverkauft. So z.B. die sogenannten CDOs, collateralized debt obligations. Das waren in der Krise Derivate, wo keiner mehr wusste, was er tat. Und solche Papiere gehören nicht auf den Markt.

derStandard.at: Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Schattenbanken am Finanzsystem ein?

Schrooten: Die Einschätzung von Größenordnungen ist schwer möglich. Das Beispiel Hypo Real Estate in Deutschland hat gezeigt, wie schwer offenbar die Erfassung risikoreicher Transaktionen ist. Es ist aber ein erheblicher Teil. Denn: Es vagabundiert momentan sehr, sehr viel Kapital, das nach renditeträchtigen Anlagemöglichkeiten sucht. Da bieten sich Schattenbanken natürlich an.

derStandard.at: Beim Wort Schattenbanken denkt man sofort an etwas Amoralisches oder gar Illegales. Da sie aber legal sind...

Schrooten: Ja.

derStandard.at: ...wie muss man sich das als Privatperson vorstellen, wie investiere ich in eine Schattenbank?

Schrooten: Direkt geht das im Allgemeinen nicht. Aber es gibt natürlich indirekte Wege. Die größten Investoren sind natürlich Pensionsfonds. Und wenn Sie als Privater in so einen Fonds einlegen, dann kann es sein, dass Sie auch in eine Schattenbank investieren.

derStandard.at: Wenn ich also eine private Pensionsvorsorge abschließe, kann ich auch da landen?

Schrooten: Ja, das kann sein.

derStandard.at: Was den regulierten Finanzsektor betrifft. Hat der Interesse daran, dass der unregulierte Sektor an die Kandare genommen wird?

Schrooten: Nein, er will das nicht, weil er insgeheim davon profitiert, dass es ihn gibt. Er ist sogar aufs Engste mit dem unregulierten Sektor verbunden. Man muss sich das so vorstellen: Auf einen Teil Ihres Einkommens fällt ein höherer und den anderen Teil ein niedrigerer Steuersatz. Nun ja, da finden es viele gut, dass es auch den Teil mit der niedrigen Steuerlast gibt.

derStandard.at: Sind höhere Eigenkapital-Quoten für den Schattensektor die Lösung?

Schrooten: Das wäre ein wichtiger Schritt und schon einmal ein schwerer Einschritt. Das macht den Schattensektor unattraktiver.

derStandard.at: Es gibt auch den Vorschlag, dass man das Finanzsystem in kleinere Einheiten aufteilt, das Massengeschäft und die spekulativen Aktivitäten trennt. Ist das sinnvoll?

Schrooten: Das ist nur ein kleiner Ansatz, um das systemische Risiko des Finanzsystems zu lindern. Damit bekämpfen Sie die Schattenbanken nicht. Denn diese Hedge- und Private-Equity-Fonds werden noch nicht reguliert, können sich durch fehlende Auflagen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, und sind daher als Investment interessant.

derStandard.at: Nutzt ein Trennbankensystem überhaupt?

Schrooten: Diese Diskussion um Universalbanken versus Trennbanken ist alt und weitgehend überflüssig. Wenn sie das Investmentbanking herausnehmen wollen aus den normalen Kreditinstituten und in spezialisierte Einheiten verlagern wollen, ist damit das Risiko nicht verschwunden. Der Gabriel-Vorschlag (Anm. nach dem SPD-Politiker Sigmar Gabriel) hört sich überzeugend an, löst aber das Grundproblem nicht. Lässt man eine Investmentbank Pleite gehen, hat man ein erhebliches systemisches Risiko.

derStandard.at: Die Kreditinstitute sollen also risikogewichtige Aktiva mit mehr Eigenkapital versehen. Wie sehen Sie die Zukunft der Risikoeinschätzung von Staatsanleihen, die ja bisher als sicher eingestuft wurden?

Schrooten: Da muss man differenzieren. Deutschland hat beispielsweise eine hervorragende Bonität, andere Staaten haben das nicht. Also muss man das auch unterschiedlich bewerten. Das wird auch in Zukunft gewahrt bleiben.

derStandard.at: Vor allem aus amerikanischer Sicht sind Staatsanleihen ja kaum mit Risiko behaftet.

Schrooten: Diese Sicht kommt daher, dass der US-amerikanische Staat ein besonderer Staat ist. Er lebt wesentlich von der Reservewährungsfunktion des US-Dollars – weltweit gilt der Dollar als eine attraktive Währung, alle wollen ihn haben.

derStandard.at: Erwarten Sie, dass beim G-20-Gipfel auch bei der Finanztransaktionssteuer etwas weitergeht?

Schrooten: Es wird sicherlich wieder diskutiert, aber auch gebremst werden. Allerdings sind wir jetzt schon viel weiter als 2008. Das Bewusstsein, dass Finanzmärkte reguliert werden müssen, steigt.

derStandard.at: Wer bremst hier noch?

Schrooten: Die einzelnen Staaten haben keinen Mut. Ihre Ausrede: Wieso soll ich das als einzelner Staat machen, was macht dann die EU, was macht die Eurozone, was machen die USA. Es ist ein Koordinierungsproblem, das dahintersteckt. Der fehlende Mut auf der Handlungsebene wird zunehmend zum Problem. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 4.11.2011)