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Standbild aus dem vorerst ersten Video von 2005 YU55. Ein Pixel entspricht einer Distanz von vier Meter.

Foto: REUTERS/NASA/JPL-Caltech

Die Animation zeigt den Vorbeiflug von 2005 YU55.

Foto: NASA/JPL-Caltech

Köln - In der Nacht ist ein 400 Meter großer Asteroid der Erde so nahe gekommen, wie nur selten. Um 0.28 Uhr MEZ schoss der Brocken mit der Bezeichnung 2005 YU55 in einem Abstand von gerade einmal 324.600 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 50.000 Stundenkilometern an unserem Planeten vorbei - damit befand er sich kurzzeitig innerhalb der Mondbahn. Zuletzt ist 1976 ein Asteroid dieser Größe der Erde so nahe gekommen. Echte Gefahr  bestand aber zu keinem Zeitpunkt: Die US-Raumfahrtbehörde NASA hatte bereits zuvor betont, dass ein Einschlag ausgeschlossen sei.

Der "Streifschuss" bot den Astronomen die seltene Gelegenheit, Urgestein aus der Entstehungszeit des Sonnensystems aus der Entfernung zu erforschen. Außerdem sollte die Oberfläche des kosmischen Objekts, das nach NASA-Angaben zum großen Teil aus Kohlenstoffverbindungen besteht, auf bis zu zwei Meter genau kartiert werden.

Das bislang erste Video von YU55 besteht aus sechs Einzel-Bildern, die aus Daten des Goldstone Solar System Radars generiert wurden. Die Daten stammen vom 7. November 2011, zu diesem Zeitpunkt war der Asteroid 1,38 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

Erst im Jahr 2028 wird nach derzeitigem Wissensstand erneut ein Asteroid vergleichbarer Größe so dicht an der Erde vorbeiziehen, wie das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena im US-Bundesstaat Kalifornien errechnet hat. Doch trotz seines engen Vorbeiflugs ist 2005 YU55 mit bloßem Auge nicht zu sehen gewesen - selbst für Hobby-Astronomen lohnte sich die Suche nur, wenn sie über größere Teleskope verfügen.

Der Asteroid 2005 YU55 gilt wie seine zahllosen Artgenossen im All als Überbleibsel der Entstehung unseres Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren - und er zählt zu den Gesteinsbrocken, die auf ihrer Bahn um die Sonne der Erde ungemütlich nahe kommen können. Einen Einschlag des Flugzeugträger-großen Brockens auf der Erde können die JPL-Forscher aber zumindest für die nächsten hundert Jahre ausschließen. Zum Glück für unseren Planeten, denn eine solche Kollision hätte verheerende Folgen, wie Einschläge in der Vergangenheit beweisen.

Tunguska-Explosion durch 50-Meter-Brocken

So wir heute angenommen, dass ein großer Brocken aus dem All für die Tunguska-Explosion verantwortlich war. Am 30. Juni 1908 raste demnach ein Asteroid auf eine abgeschiedene Region in Sibirien zu. Mit 70.000 Stundenkilometern drang er in die Atmosphäre ein und explodierte über dem Fluss Steinige Tunguska. Die Explosion löste eine Druckwelle aus, die mit der Sprengkraft von mehreren hundert Hiroshima-Atombomben das sibirische Waldgebiet weiträumig verwüstete. Der Durchmesser des Tunguska-Geschosses wird heute auf 50 Meter geschätzt - also gerade mal ein Achtel des Durchmessers, den 2005 YU55 aufweist.

In der Vergangenheit wurden die Erde von weitaus größeren Brocken getroffen: Vor 15 Millionen Jahren donnerte ein kilometergroßer Brocken auf die Schwäbische Alb herab und hinterließ einen Krater, der heute als Nördlinger Ries bekannt ist. Und vor 65 Millionen Jahren schlug ein zehn Kilometer großer Asteroid auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan ein und löste einen Klimawandel aus, der höchstwahrscheinlich zum Aussterben der Dinosaurier beitrug.

Im Vergleich mit diesem Riesen-Asteroiden ist der im Dezember 2005 entdeckte 2005 YU55 zwar ein Knirps. Doch sollte der zur Klasse der sogenannten Apollo-Asteroiden gehörende Brocken einst mit der Erde kollidieren, würde dabei die Sprengkraft von zigtausenden Hiroshima-Bomben freigesetzt. Außerdem drohten Erdbeben und Tsunamis von ungeheurer Zerstörungskraft.

Informationen für bemannte Asteroiden-Mission

Während die Erdbewohner zumindest dem nun bevorstehenden Rendezvous mit 2005 YU55 beruhigt entgegensehen können, herrscht bei den Astronomen große Spannung. "Als in der Vergangenheit erdnahe Objekte dieser Größe innerhalb der Mondbahn an der Erde vorbeigeflogen sind, hatten wir noch nicht das Wissen und die Technologie, um die Gelegenheit zu nutzen", sagt die JPL-Wissenschaftlerin Barbara Wilson. Der Vorbeiflug von 2005 YU55 biete nun eine "großartige Möglichkeit", den Asteroiden mit Instrumenten von der Erde aus zu beobachten. Dabei hoffen die Forscher vor allem, seine mineralische Zusammensetzung zu entschlüsseln. Denn dies würde Wilson zufolge Rückschlüsse erlauben, welche Asteroiden "am besten geeignet sind für eine künftige bemannte Mission".  (red/APA)