Alpha-Zertifikate zeichnen sich weder durch eine eindeutige Definition noch durch einen besonders guten Ruf unter Anlegern aus. Beides ist auf die Kommunikation seitens der Banken zurückzuführen. Zum einen bezeichnet „Alpha" in der Finanzmarkttheorie ein Maß für die Überrendite eines Wertpapiers über ein zugrunde liegendes Bewertungsmodell, etwa das CAPM (Capital Asset Pricing Model) oder ein Vergleichsinstrument, etwa einen Index. Das Alpha ist damit jener Teil der Aktienrendite, der unabhängig von der Marktrendite entsteht und nur ex post festzustellen ist. Werden in einem Zertifikat etwa zwei Indizes gegenübergestellt, sollte sinnvoller von einem Long-Short-Produkt gesprochen werden. Zum anderen werden bei einem Gros der Papiere Äpfel mit Birnen verglichen. Es ist offensichtlich, dass ein Zertifikat mit einer Long-Position im EuroStoxx50 und einer Short-Position im DAX die Dividenden jährlich doppelt verliert, da sie aus dem ersten heraus-, in den letzten jedoch eingerechnet werden.

Die Indizes müssen zwischen ca. sechs bis acht Prozent p.a (!) auseinanderdriften, um dies zu egalisieren. Das führt zur Erkenntnis, dass neben „transparent" auch der Begriff des „marktneutralen Investments" euphemistisch gebraucht wird. Nur aus der Tatsache, dass die Marktrichtung (rauf/runter) für die Strategie keine Rolle spielt, lässt sich (leider) nicht herleiten, dass man die Zeit bis zum Fälligkeitstag in festgeldartiger Muße oder spekulativem Fatalismus (wird schon wieder) aussitzen kann und von einem genauen Blick auf die beiden Komponenten des Produktes befreit wäre.

Nicht die absolute, nur die relative Entwicklung der Indizes entscheidet

Beim Bank of America Merrill Lynch Rohstoff Alpha-Zertifikat (ISIN: DE000ML0BTL5) steht einer Long-Position im Merrill Lynch Commodity Index eXtra Excess Return (MLCX) eine Short-Position im S&P Goldman Sachs Commodity Index Excess Return (GSCI) gegenüber. Beide Indizes investieren ausschließlich in Futures-Kontrakte. Während die maximal 24 Rohstoffe aus sechs Sektoren im MLCX nach Handelsliquidität ausgesucht und nach ihrem Anteil an der Weltproduktion gewichtet werden, beruht die Auswahl GSCI primär auf der Weltproduktion, Liquiditätskriterien sind sekundär; eine Höchstgrenze an Indexkomponenten existiert nicht.

Entscheidend ist jedoch die unterschiedliche Roll-Strategie. Der GSCI rollt seine Positionen „klassisch" immer in den nächst fälligen Kontrakt (Front Month), im MLCX dagegen wird über 15 Tage hinweg vom zweiten Fälligkeitstermin in den dritten gerollt. Laut Emittentin übersteigt die Indexentwicklung nach diesem Verfahren die Ergebnisse von Front-Month-Modellen. Dass dies sich fortsetzt, darauf muss sich eine jede Anlageentscheidung gründen, da das Zertifikat keine sonstigen Erträge wie etwa Kupons generiert.

ZertifikateReport-Fazit: Da aus dem alleinigen Anstieg der Rohstoffpreise kein Gewinn erzielt wird, müssen Investoren auf eine starke Outperformance des Merrill Lynch-Index gegenüber dem Goldman Sachs-Index setzen. Um deren Wahrscheinlichkeit einschätzen zu können, sind Rohstoffexpertise und -affinität sowie eine intensive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Indexregeln unabdingbar.