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Foto: Reuters/Zetouny

Abdul Rahim al-Kib selbst kokettierte nach seiner Ernennung mit der Tatsache, dass ihn auch in dem Land, wo er Chef einer Interimsregierung sein wird, kaum jemand kennt: Im neuen Libyen stehe das Premiersamt sogar für einen Nobody wie ihn offen, sagte er.

Diejenigen im Nationalen Übergangsrat, die ihn erwählt haben, gebrauchen für Kibs politisch jungfräulichen Zustand das Wort "unbelastet" . Damit soll der Unterschied zum scheidenden Mahmud Jibril betont werden, gegen den vor allem die Vertreter der Stadt Misrata, der lautesten Fraktion in der bunten politischen Landschaft Libyens, etwas hatten - weil er fünf Jahre lang als Wirtschaftsreformer für Muammar al-Gaddafi gearbeitet hatte, aber auch, weil er ein "Ostler" war.

Abdul Rahim al-Kib, der neue Chef des Exekutivkomitees des Übergangsrats, ist hingegen aus Tripolis, also ein Westler, wie die Leute aus Misrata. Sonst ist aber sein Lebenslauf gar nicht so anders als der Jibrils: Wie Jibril hat der 1950 geborene Kib eine Universitätskarriere in den USA hinter sich gebracht und engagierte sich ab Mitte der 2000er-Jahre wieder in Libyen, nachdem Gaddafi mit der Aufgabe seiner geheimen Massenvernichtungswaffenprogramme und mit Entschädigungszahlungen für die Lockerbie-Opfer sein Verhältnis zu den USA zu normalisieren versucht hatte. Aber Kib, ein Elektroingenieur, arbeitete nicht direkt für Gaddafi, dessen scharfer Kritiker er immer war.

Unter den Sponsoren seiner zahlreichen Studien wird auch das US-Energieministerium genannt, was einigen Verschwörungstheoretikern bestimmt auffallen wird, die meinen, beim Libyen-Krieg ging es nur ums Erdöl. Kib sitzt in vielen internationalen Energie- und Technologiekommissionen, aber seine Hauptbeschäftigung war über lange Jahre die Lehre: zuerst noch in Tripolis, danach an der North Carolina State University und seit 1985 an der University of Alabama, wo er 1996 eine Professur erhielt. 1999 bis 2001 ließ er sich karenzieren und unterrichte in Sharja, einem der Vereinigten Arabischen Emirate, an der Amerikanischen Universität.

Aus den Titel seiner Artikel erschließt sich, dass Kib über neue Energiequellen und Umwelttechnologien arbeitete, aber das wird die Ölfirmen, die jetzt um ihre mit Gaddafi abgeschlossenen Verträge bangen, weniger interessieren. Kibs vordringlichste Aufgabe ist jetzt die Regierungsbildung, für die er laut Zeitplan nur mehr zwei Wochen hat. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)