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Die UNESCO nimmt Palästina als Vollmitlgied auf

Foto: epa/BALAZS MOHAI

Zum Schluss ging es überraschend schnell. Nach wochenlangen Drohungen von Seiten der USA, sie würden die Unesco gegebenenfalls finanziell abstrafen, hat die Vollversammlung der großen Uno-Organisation am Montag in Paris Palästina mit klarer Mehrheit als Vollmitglied aufgenommen. 107 Staaten stimmten dafür, 14 dagegen; 52 enthielten sich der Stimme. Unter den Gegnern waren Israel, die USA, Kanada und Deutschland. Bisher verfügten die Palästinenser nur über einen Beobachterstatus bei der Organisation für Kultur, Bildung und Wissenschaft.

Die Europäer waren wieder einmal uneins: Während Berlin aus historischen Gründen zu Israel hielt, enthielten sich England und Italien der Stimme; Frankreich, Österreich und andere schwenkten in letzter Minute auf die befürwortende Seite.

Nach der Aufnahme der Palästinenser haben die USA ihre Zahlungen an die UN-Kulturorganisation vorerst gestoppt. Der November-Beitrag in Höhe von 60 Millionen Dollar (43 Millionen Euro) werde nicht gezahlt, erklärte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Montag in Washington. 

"Tragödie für die Unesco"

"Dieser Wahlausgang erlaubt es, einen winzigen Teil der Ungerechtigkeit gutzumachen, die am palästinensischen Volk begangen wurde", kommentierte der palästinensische Außenminister Ryiad al Malki in Paris. Der israelische Unesco-Botschafter Nimrod Barkan sprach von einer "Tragödie für die Unesco". Sein Land dürfte seinen Mitgliedschaftsbeitrag an die Organisation streichen.

Stärker ins Gewicht fällt der nun unvermeidliche Wegfall des amerikanischen Beitrags, der 22 Prozent des gesamten Budgets der Uno-Organisation ausmacht. Zwei US-Gesetze aus den neunziger Jahre untersagen ausdrücklich Subventionen an Uno-Organisationen, in denen Palästina Vollmitglied ist. Außenministerin Hillary Clinton hatte in den letzten Tagen verschiedentlich darauf hingewiesen. Der amerikanische Unesco-Botschafter David Killion meinte am Montag, dass die Aufnahme Palästinas "unsere Kapazität, die Unesco-Programme zu unterstützen, verringern wird".

Für die US-Regierung kommt die Affäre sehr ungelegen. Clinton wie auch Präsident Barack Obama wollten die Bildungs- und Frauenprojekte der Unesco stärker unterstützen, als dies die USA bisher getan hatten. Der amerikanische Unesco-Jahresbeitrag liegt derzeit bei 70 Millionen Dollar. 1984 waren die USA, England und Singapur bereits einmal aus der Unesco ausgetreten, um gegen Schlendrian und Anti-Amerikanismus zu protestieren. Washington kehrte erst 2003 wieder zurück.

Die bulgarische Unesco-Direktorin Irina Bokova räumte am Montag ein, dass es nicht anders gehen werde als "Programme zu streichen und das Budgetgleichgewicht wieder herzustellen". Sie fügte aber an, dass es "nicht nur ein finanzielles Problem" sei; "es ist ein Problem, das die Universalität unserer Organisation betrifft".

Die Aufnahme Palästinas in die Unesco stellt an sich keine Überraschung dar, nachdem schon der Exekutivrat den Schritt Anfang Oktober mit ähnlichem Mehr empfohlen hatte. Danach drohten die USA aber unverhohlen mit einer finanziellen Sanktion. In den letzten Tagen hatten Insider deshalb eher mit einer Vertagung des Beschlusses gerechnet. "Es wird darauf hingearbeitet, dass die Palästinenser zur Erkenntnis kommen, wonach es besser ist, das Ansinnen vorläufig nicht verfolgen", meinte ein österreichischer Diplomat letzte Woche zum STANDARD.

Sinkender US-Einfluss

Fast alle Drittwelt- und Schwellenländer waren aber bereit, den Palästinensern einen Vollstatus zu gewähren, auch wenn sie mehr als ein Fünftel des Unesco-Budgets verlieren. Dies lässt sich als Zeichen des global abnehmenden Einflusses der USA deuten. Und vor allem als Bestätigung, dass die Aufnahme Palästinas in die Uno eine ähnlich klare Mehrheit hätte. Vor der Vollversammlung in New York muss aber der Sicherheitsrat am 11. November über das palästinensische Aufnahmegesuch befinden; Washington dürfte dabei das Veto einlegen. Nach dem Entscheid der Unesco-Vollversammlung würde ein solcher Schritt aber nur noch stärker als Solotour einer Supermacht wirken.

Selbst wenn die Uno-Mitgliedschaft Palästinas scheitern sollte, hätte die Aufnahme in die Unesco Auswirkungen auf den Nahostkonflikt. Die Palästinenser möchten umstrittene Heiligtümer wie die Höhle der Doppelgräber in Hebron oder andere Kultstätten in Bethlehem oder Jericho dem Weltkulturerbe der Unesco unterstellen. Jeder dieser Anträge wäre regionalpolitisch explosiv. (derStandard.at/31.10.2011)