Warschau - Die polnische Regierung hat sich gegen die Einführung einer freiwilligen Kirchensteuer ausgesprochen. "Wir haben momentan wichtigere Probleme", sagte Finanzminister Jacek Rostowski dem Radiosender ZET am Wochenende. Er wies damit einen Vorschlag der katholischen Bischofskonferenz zurück, demzufolge die polnischen Steuerzahler einen Prozent ihrer Abgaben einer selbst gewählten Religionsgemeinschaft widmen können sollen. Rund 95 Prozent der Polen sind katholisch.

Der Minister erklärte, die Finanzkrise in Europa mache eine Finanzierung des Vorschlages unmöglich. "Wir müssen an die finanzielle Absicherung des Staates in den kommenden drei Jahren denken", sagte Rostowski. Der Vorschlag hätte der Kirche nach Ansicht von Experten eine zusätzliche Summe von 600 Millionen Zloty (rund 138 Mio. Euro) aus Steuergeldern zugeführt. Im Gegenzug schlugen die Bischöfe die Abschaffung eines "postkommunistischen Reliktes" vor - dem staatlichen Kirchenfonds.

Der von der kommunistischen Regierung im Jahr 1950 gegründete Kirchenfonds wird aus dem Staatsbudget finanziert. Die Zuschüsse daraus an die Kirchen betrugen zuletzt rund 100 Millionen Zloty (23,1 Mio. Euro) pro Jahr. Der Vorschlag der Kirche für die neue Steuer wurde von Politikern aller Parteien mit Ausnahme der rechtskonservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit) kritisiert.

Polnische Bürger haben seit längerer Zeit die Möglichkeit, bei der jährlichen Steuererklärung ein Prozent ihrer Einkommenssteuer einer gemeinnützigen Organisation zu widmen. Nach dem Vorschlag der Kirche sollten die Polen zusätzlich ein weiteres Prozent einer selbst gewählten Kirche zuführen können. Mit dem Vorschlag wolle die Kirche auch die gesellschaftliche Kritik an der Verbindung von Staat und Kirche abschwächen, erklärten Kirchenvertreter.

Eine Abschaffung des Kirchenfonds forderte die antiklerikale "Bewegung Palikots", die bei der Parlamentswahl im Oktober 10,02 Prozent der Stimmen erreichte und im Parlament damit zur drittstärksten politischen Kraft avancierte. (APA)