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Allgemeine Informationen zum Friedhof Schöneberg beziehungsweise zum Café Finovo im Web: www.cafe-finovo.de.

Infos zum Förderverein: www.efeu-ev.de.

Mit der Grabgemeinschaft "Denk mal positiv" setzt die homosexuelle Community ein selbstbewusstes Zeichen. Hier gibt es auch einen "Garten der Sternenkinder".

Anreise nach Berlin: zum Beispiel ab Wien mit Air Berlin ab zirka € 100,-

Anreise zum Friedhof: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man den Alten St.-Matthäus-Kirchhof mit der U7 Yorckstraße oder S-Bahn Yorckstraße / Ausgang Großgörschenstraße.

Foto: chris grabert/flickr.com unter creative-commons-Lizenz

Unterkunft in der Nähe: Gästezimmer Boßmann. Einfache Zimmer mit Blick auf den Friedhof und Frühstück im Café Finovo. Zu Allerheiligen/Allerseelen ist eine Vorreservierung ratsam. Großgörschenstr. 14, 10829 Berlin

Kulinarik, Essen ums Eck: Restaurant Hisar, türkisches Restaurant, das u. a. von Wolfram Siebeck empfohlen wird: Yorckstr. 49, 10965 Berlin

Weitere Sehenswürdigkeit in der Nähe: Park am Gleisdreieck - moderne und optisch ansprechende Parkanlage auf dem ehemaligen Areal des Anhalter-Güterbahnhofs. Mit interkulturellem Rosenduftgarten, Naturerfahrungsraum und historischen Bahnrelikten.

Foto: Restaurant Hisar

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Allgemeine Informationen zu Deutschland und Berlin erhält man in Österreich bei der Deutschen Zentrale für Tourismus e. V., Mariahilfer Straße 54, 1070 Wien, Tel.: (01) 513 27 92, Fax: (01) 513 27 92 22,

Ebenfalls informiert www.visitberlin.de, das offizielle Tourismusportal der deutschen Bundeshauptstadt. Seit den 20er-Jahren wohnen im Bezirk Schöneberg viele Lesben und Schwule, mehr als hundert von ihnen fanden ihre letzte Ruhestätte am Friedhof Schöneberg. Aber auch viele großbürgerliche Familien haben hier ein Mausoleum, so z. B. die Familie Hansemann, der der Gründer der Deutschen Bank entstammt.

Foto: chris grabert/flickr.com unter creative-commons-Lizenz

Gleich hinter dem schmiedeeisernen Tor des Friedhofs in Berlin steht eine junge Frau allein und wartet. Sie trägt eine schwarze Jacke, und in der Hand hält sie einen Blumenstrauß. Die verweinten Augen und das blasse Gesicht legen Zeugnis ab, dass sie erst kürzlich jemanden auf diesem evangelischen Friedhof begraben musste. Über die Frau zieht eine blecherne Klangwolke des Gospels When the Saints Go Marching In hinweg - leicht aus dem Takt.

Im Schatten der Mauer des Alten St.-Matthäus-Kirchhofs in Schöneberg übt die Bläserklasse der nahegelegen Volksschule ihren Auftritt. Die Mädchen und Buben tragen grüne Leibchen mit der Aufschrift "Green Elephants" und dudeln aufgeregt auf ihren Blasinstrumenten. Noch sind nicht alle im Takt. Ob das die Kleinen noch hinbekommen, bevor sie auf der Bühne des Großgörschen-Straßenfests vor dem Friedhof stehen? Vom Eingang an dieser Straße steigt das Grabgelände sanft einen Hügel hinauf bis zur Monumentenstraße. Auf der einen Seite rumpelt sanft alle zehn Minuten die S-Bahn vorbei, gegenüber reichen die Mietskasernen aus dem 19. Jahrhundert mit schick renovierten Fassaden bis an die Friedhofsmauer. Was eingezwängt klingt, dehnt sich im Wohngebiet jedoch großzügig als Grünraum aus. Der Platz für die Toten ist mitten im Leben. Oder umgekehrt.

Eine lebhafte Besonderheit betritt der Friedhofsbesucher gleich neben dem großen Tor. Direkt am Gelände im ehemaligen Verwalterhaus begrüßt das wohl einzige Friedhofscafé Deutschlands seine Gäste. Im efeuberankten Schanigarten des "Finovo" liest ein junger Mann in der Hollywoodschaukel ein Taschenbuch.

Hausgemachte Topfentorte

Es trägt den Titel Noch einmal von vorne anfangen, dazu trinkt er Bier. Am Tisch daneben löst sich eine blondierte alte Dame von ihrem Rollator, lässt sich in eine der zusammengewürfelten Sitzgelegenheiten plumpsen und bestellt bei der Kellnerin eine hausgemachte Topfentorte mit Kaffee. Der Gastraum im Haus verströmt den Charme eines belebten Wohnzimmers mit Teppichboden und Häkeldeckchen auf den Tischen. Bei den in warmem Gelb bemalten Wänden ist es nur gut, dass der Service gelegentlich mit kräftiger Berliner Schnauze gehandhabt wird, sonst wäre es fast zu heimelig.

Bernd Boßmann eröffnete das Café vor sechs Jahren. Zuvor wurde ein Freund von ihm hier beigesetzt. Er besuchte täglich das Grab und lief daher immer am leeren Verwalterhaus vorbei. "Ich dachte, hier wäre es ja ganz nett, ein kleines Café und ein Blumenlädchen aufzumachen. Es gab ja nichts in der Nähe." Der gebürtige Niederrheiner erfuhr, dass jemand für die Nutzung gesucht wurde. "Ich reichte ein Konzept ein und ging dabei von fünf Bedürfnissen aus: Toilette benutzen, Hände waschen, sich setzen können, etwas zu trinken bekommen und vielleicht auch ein bisschen kommunizieren."

Rosa von Praunheim

Das Konzept von Bernd Boßmann, der auf eine Vergangenheit als "politische Trash-Tunte" und Hauptdarsteller in einem Film von Rosa von Praunheim zurückblickt, kam an. "Am Eröffnungstag waren an die 160 Leute hier. Da war schon klar, das wird ein ganz buntes Gemisch werden. Auch weil mehr als 100 schwule Männer am Friedhof liegen." Seit den 20er-Jahren wohnen in Schöneberg viele Schwule und Lesben.

Vor allem in den 90er-Jahren schaffte die Krankheit Aids Bedarf nach Gräbern. Heute gibt es Grabgemeinschaften wie "Denk mal positiv", mit denen die homosexuelle Community auch in der Trauerkultur ein selbstbewusstes Zeichen setzt. "Die andere, junge Klientel kommt durch den ,Garten der Sternenkinder'. An die 120 Elternpaare haben ihre Stillgeburten hier begraben", so Bossmann. "Auch dadurch veränderte sich die ganze Friedhofskultur."

Dabei mischt sich die zeitgemäße Art der Trauerns harmonisch mit der Tradition. Viele der Grabmonumente des mehr als 150 Jahre alten Friedhofs sind denkmalgeschützt. Aber nicht nur das einfamilienhausgroße Mausoleum der Familie Hansemann, den Gründern der Deutschen Bank, mit seiner Säulenumfriedung ist sehenswert. Vor die schlichten, grauen Stelen gleich daneben legen Kinder häufig Zeichnungen mit Märchen, liegen hier doch Jacob und Wilhelm Grimm begraben. Seit einigen Monaten pilgern auch Fans des Sängers Rio Reiser von der Rockband Ton Steine Scherben auf den Schöneberger Friedhof.

Der "König von Deutschland" wurde kürzlich von seinem nordfriesischem Bauernhof nach Berlin umgebettet. Sein Grab schmückt eine steinerne Krone und liegt direkt an der großen Allee mit dem alten Baumbestand, die das Gelände in zwei Hälften teilt. Am Eingang zum Café Finovo schreitet eine Künstlerin vorbei. Ihr laufen an die zwanzig Personen nach. Sie nehmen an einer Führung durch die Kunstausstellung Parcours des Erinnerns teil.

Elf in Berlin lebende Künstlerinnen und Künstler präsentieren auf dem 1856 gegründeten Friedhof temporäre Installationen. An der Urnenwand erläutert die Künstlerin ihr Exponat. In einem Fach drapierte sie unter anderem statt des Gefäßes mit Asche einen OP-Handschuh. Der sei ihre persönliche Erinnerung an Christoph Schlingensief. Sie fand diesen Handschuh in einem Brunnen vor der Berliner Klinik, in der der Regisseur an Lungenkrebs starb.

Aus der Kapelle schräg gegenüber dringt mehrstimmiger Gesang. Ein Chor übt für das Jodelkonzert, das noch an diesem Nachmittag stattfindet. Auf Anfrage, ob sie etwas lauter sprechen könnte, verneint die Künstlerin. Aber sie würde es gerne noch einmal erzählen.

Die nächste Station der Führung lässt sich schneller erreichen, wenn man mitten durch das Gräberfeld geht. Einige Leute aus der Gruppe zögern und laufen einen großen Bogen, doch eine Kunstkennerin im kleinen Schwarzen und mit buntem Modeschmuck schreitet beherzt durch das Gras zwischen den Grabstellen und murmelt dabei: "Die Leute müssen ihre Gräber ja auch erreichen."

Dabei passiert sie eine Bank vor einem frischen Grab. Darauf hat die junge Frau mit der schwarzen Jacke vom Eingang Platz genommen. Der Blumenstrauß liegt nun neben dem Grabstein, und sie ist in ein angeregtes Gespräch mit zwei Frauen vertieft, die neben ihr sitzen. Sie lächelt. (Peter Fuchs/DER STANDARD/Printausgabe/29.10.2011)