Wie lebt es sich in einem Wohnhaus, das von Coop Himmelb(l)au geplant wurde? Bewohner zweier Wiener Anlagen erzählen über den Alltag mit innovativer Architektur, der sich oft als ziemlich banal erweist.

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Der gläserne Wohnturm der Wiener Stararchitekten Coop Himmelb(l)au im Wohnpark Alte Donau in Wien 22 ist in vielerlei Hinsicht schräg. Rechteckige und dreieckige, gerade und schiefe Fronten gehen nahtlos ineinander über, sodass der Eindruck entsteht, jemand hätte mit einem Messer zwei riesige Scheiben des Turmes abgeschnitten. Doch wie wohnt es sich in dem 60 Meter hohen Hochhaus mit Glasfassade? "Grundsätzlich gut", sagt Andreas Weninger, der vor 13 Jahren mit Ehefrau Waltraud und seinen beiden Töchtern in den Wohnturm einzog.

Die 130 m2 große Eigentumswohnung der Familie im elften Stock besticht mit dem Blick auf die Alte Donau, dem Wintergarten mit über fünf Metern Raumhöhe und den lichtdurchfluteten Räumen. Allerdings bieten die großen Glasfronten in manchen Situationen auch ungewollt tiefe Einblicke ins Privatleben der Weningers. So staunte die Familie nicht schlecht, als die Töchter vor einigen Jahren auf einem Foto zu einem Zeitungsbericht über das Haus einen leichtbekleideten Mann auf einer Loggia als ihren Vater identifizierten.

Auch andere Ideen der Architekten hätten sich leider nur auf Papier als umsetzbar erwiesen, erzählt das Ehepaar. Das zeigte sich vor allem am Wintergarten der Wohnung. Ursprünglich waren alle Wintergärten vom neunten bis zum dreizehnten Stock durch die schräg nach oben verlaufende Fassade zu einem Raum verbunden und die Öffnung der Fenster zentral geregelt. Die Folge war, dass in den oberen Stockwerken ein unangenehmer Windzug herrschte und die Raumtemperaturen wegen der unterschiedlichen Sonneneinstrahlung stark variierten.

Auf Drängen der Wohngemeinschaft wurden die Geschoße nach drei Jahren schließlich baulich getrennt und eine individuelle Steuerung zur Öffnung der Fenster installiert. Trotz dieser Verbesserungen kommt es vor allem in den kälteren Monaten zu - bedingt durch die Sonneneinstrahlung - starken Temperaturschwankungen in dem nicht beheizbaren Raum. Die großen Jukkapalmen werden daher im Wohnzimmer überwintert.

Blumen gießen bei Nachbarn

Der Wintergarten der Familie hat auch wegen der räumlichen Verbindung zur Nachbarwohnung mehr den Charakter eines "Vorgartens". Durch einen halben Meter breiten Spalt zwischen Außenwand und Milchglastrennscheibe gelangt man zum Nachbarn. Ein großer Vorteil, wie Waltraud Weninger findet, denn wenn eine der beiden Familien verreist, kann die andere so problemlos die Blumen gießen.

Das gute nachbarschaftliche Verhältnis in einem anderen Coop-Himmelb(l)au-Haus, in der Schlachthausgasse, lobt auch Hans Lindtner, der beim Lokalaugenschein gerade mit einer anderen Mieterin zu Mittag isst.

Von außen ist das Gebäude sehr auffällig. Ein massives Stahlskelett ist über das hintere Ende des siebenstöckigen Baus gestülpt, und ein signalroter freischwebender Trichter wächst scheinbar aus der Rückseite des Hauses. Kein Wunder also, dass Lindtner des öfteren Architekturtouristen beim Fotografieren seines Wohnhauses beobachtet. Doch die großzügigen und hellen Innenräume des Gebäudes lassen nichts von der aus dem Rahmen fallenden, dekonstruktivistischen Architektur spüren. "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in Kunst wohne", erzählt Lindtner, der an der Universität für angewandte Kunst lehrt. Die Wohnung sei trotzdem etwas Besonderes, denn Neubauten mit einer Raumhöhe von fast drei Metern finde man selten. (Vera Mair, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.10.2011)