Budgetsaal im Parlament, hier fand 2007 der Eurofighter-Untersuchungsausschuss statt.

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"Es kann jeden Bürger treffen, dass er dort von juristisch nicht ausgebildeten Menschen fertiggemacht wird" , sagt Uwe Sailer, der in diesem Ausschusslokal im Oktober 2009 befragt wurde.

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Standard: Sie waren 2009 im Untersuchungsausschuss zu angeblichen Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments, kurz Spitzel-U-Ausschuss, als Auskunftsperson. Warum?

Sailer: Der U-Ausschuss kam auf Druck der FPÖ zustande, die glaubte, es ginge um den größten Spitzelskandal der Zweiten Republik, und ich hätte Infos über FPÖ-Mandatare an den Grünen Karl Öllinger verkauft. Die Initiative ging von Heinz-Christian Strache, Martin Graf, Werner Neubauer und Harald Vilimsky aus. Im selben Ausschuss wurde auch der Vorwurf untersucht, dass die Staatsanwaltschaft Wien eine Rufdatenrückerfassung für das Handy des BZÖ-Abgeordneten Peter Westenthaler angeordnet hatte.

Standard: Wie war es dort für Sie?

Sailer: Wenn Sie als Nichtpolitiker vorgeladen sind, werden Ihnen Achtung und Würde genommen. Ich kenne Befragungen, aber die war so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann.

Standard: Wie das?

Sailer: Man wird wie Abschaum behandelt. Was dort aufgeführt wird, liegt jenseits von allem, wie wir sonst in der Gesellschaft miteinander umgehen. Ich wurde fünf Stunden ohne Pause befragt. Hätte ich kein Wasser mitgenommen, hätte ich nicht einmal einen Schluck zu trinken bekommen. Zu essen ohnehin nicht. Wenn man fragt, ob man auf die Toilette gehen darf, wird man der Lächerlichkeit preisgegeben. Dabei ließen sich die Abgeordneten selbst Essen kommen, Leberkäse, Würstel - und befragten mich mit vollem Mund weiter. Einer ist sogar eingeschlafen.

Standard: Gibt es Regeln, wie so eine Befragung abzulaufen hat?

Sailer: Nein, das ist das Problem. Bei Gericht gibt es Prozessordnungen, doch in Untersuchungsausschüssen gibt es keine Verfahrensordnung. Man ist Freiwild für die Abgeordneten. Es gibt nur die parlamentarische Geschäftsordnung, über diese wacht der Vorsitzende mit dem Verfahrensanwalt.

Standard: Wen vertritt der Verfahrensanwalt?

Sailer: Er soll den Vorsitzenden unterstützen, aber er ist häufig auch Ansprechperson für die Auskunftsperson. Es hängt viel davon ab, ob man einen guten Draht zu ihm hat. Das nächste Problem ist: Man kann nur als Auskunftsperson in den parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehen. Ob Beschuldigter oder Opfer: Da wird kein Unterschied gemacht.

Standard: Das heißt, man hat de facto keinen Rechtsvertreter.

Sailer: Man kann als mentale Unterstützung eine Vertrauensperson mitnehmen. Die hat aber kein Recht auf Rede oder Anhörung. Als der Anwalt, der meine Vertrauensperson war, monierte, dass man mir Suggestivfragen stellte, wurde er fast des Saales verwiesen. Man ist mutterseelenallein.

Standard: Was war sonst problematisch für Sie?

Sailer: Die Mandatare können wegen ihrer Immunität tun und lassen, was sie wollen. Sie können lügen und Unwahrheiten über einen verbreiten, auch in aller Öffentlichkeit. Es gab schon während des U-Ausschusses Presseaussendungen über mich. Diese Vorverurteilung geht an die Existenz.

Standard: Welche Unwahrheiten?

Sailer: Man bezeichnete mich öffentlich als Spitzel und Datenfälscher. Das hat mir vorübergehend auch beruflich geschadet.

Standard: Verhalten sich die Abgeordneten aller Fraktionen so?

Sailer: Es gibt in jeder Partei einzelne, die inquisitorisch fragen. Eine weibliche Auskunftsperson, eine Telekom-Mitarbeiterin, ist damals weinend zusammengebrochen. Ich habe mit fünf oder sechs anderen Betroffenen geredet, und für keinen war die Befragung harmlos. Das Urteil aller war vernichtend. Und das kann jeden Bürger treffen, dass er dort von juristisch nicht ausgebildeten Menschen fertiggemacht wird.

Standard: Sie wurden damals auch vom Dienst suspendiert. Was blieb von den Anschuldigungen?

Sailer: Null komma null.

Standard: Was blieb für Sie übrig?

Sailer: Das Bedürfnis, duschen zu gehen. Man ist ein anderer, wenn man da wieder rausgeht. Ich wurde permanent mit Dreck beworfen und hatte das Bedürfnis, diesen Dreck nachher abzuwaschen. Man geht aus dem Parlament und denkt: "Und das sind die Volksvertreter, die wir wählen sollen?!"

Standard: Im Jänner starten die Befragungen im Untersuchungsausschuss, der sich unter dem Vorsitz der grünen Abgeordneten Gabriela Moser mit Korruptionsaffären befassen soll. Was erwarten Sie da?

Sailer: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist nicht dazu da, um Strafsachen aufzuklären. Er ist ein Kontrollinstrument, um politische Verantwortung für Missstände sichtbar zu machen. Ich wünsche mir nur, dass alle Befragten fair behandelt werden. (Colette Schmidt, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10.2011)