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Die Teilnehmer der Studie haben die Hilfe der Reproduktionsmedizin nicht in Anspruch genommen.

Foto: APA/Waltraud Grubitzsch

Frankfurt - Ein über viele Jahre unerfüllter Kinderwunsch ist für Betroffene mit Schmerz und Selbstzweifeln im Wechsel mit Hoffnung und Sehnsucht verbunden. Frauen leiden darunter stärker als Männer, so das Ergebnis einer Studie am Fachbereich Psychologie der Goethe-Universität. Untersucht wurden nicht nur das Befinden der Befragten, sondern auch ihre Strategien, mit dem unerfüllten Wunsch umzugehen (Coping-Strategien). Als hilfreich erlebten die Betroffenen die Unterstützung aus dem sozialen Umfeld. Bei der Verarbeitung der Situation war für Befragte, die den Wunsch noch nicht endgültig aufgegeben hatten, die emotionale Verarbeitung der Situation wichtiger als die kognitive. Auch persönliche Einstellungen spielen eine Rolle. Hier hat Flexibilität bei der Lebensplanung den größten Einfluss auf das Wohlbefinden.

An der Studie nahmen 68 Personen teil, die entweder einen langandauerndem unerfüllten Kinderwunsch hegten oder die Hoffnung auf Nachwuchs bereits aufgegeben hatten. Bedingung war, dass sie mindestens drei Jahre ihren Kinderwunsch verfolgt hatten, ohne die Hilfe der Reproduktionsmedizin in Anspruch zu nehmen. „Das ist selten", erklärt Studienleiterin Kerstin Brusdeylins, „die meisten Studien basieren auf Erhebungen an Klienten aus der Reproduktionsmedizin." 

Beziehung zu Gott

Brusdeylins untersuchte ferner das religiöse Coping, das auch in der Gesundheitspsychologie allmählich an Bedeutung gewinnt. Das Ergebnis: Die Zugehörigkeit zu einer Religion und das religiöse Engagement beeinflussten das Wohlbefinden nicht. Allerdings gab es einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen der Beziehung zu Gott und dem Befinden der Befragten. Probanden mit unerfülltem Kinderwunsch fühlten sich signifikant schlechter, wenn ihre Gefühle in Bezug auf Gott negativ waren. Keinen Einfluss hatte der Glaube auf die Hoffnung der Kinderlosen, dass ihr Wunsch doch noch in Erfüllung gehen könnte.

Die Studie steht im Zusammenhang mit der Untersuchung eines Phänomens, das Psychologen als „Nicht-Ereignis" bezeichnen. Siegfried Preiser, Professor für Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität, gab den Anstoß zu einer explorativen Vergleichs-Studie, in der 62 Betroffene „Nicht-Ereignisse" nennen sollten, unter denen sie sehr leiden. Neben Kinderlosigkeit waren dies unerfüllte Karrierewünsche, aber auch Probleme mit dem Normalgewicht oder das Bedauern, einen bestimmten Beruf nicht erlernt zu haben. Verglichen wurden diese Probanden mit solchen, die mit ihren nicht erfüllten Wünschen Frieden geschlossen hatten.

Bewältigung durch Kreativität und Bewegung

„Obwohl Menschen, die mit ihrer Situation noch hadern, einer deutlich höheren emotionalen Belastung ausgesetzt sind, nehmen sie weniger professionelle Hilfe in Anspruch als Menschen, die sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben, aber noch darunter leiden", stellt Kerstin Brusdeylins fest. Im Interview nannten diese Personen neben den klassischen Bewältigungsstrategien vor allem die kreative Bearbeitung des Problems, körperliche Aktivität und Regeneration, zum Beispiel durch Gartenarbeit.

In einer aktuellen Studie befragt die Psychologin nun Männer und Frauen, die beginnen ihren Babywunsch praktisch umsetzen. Der online-Fragebogen beinhaltet Fragen zur Lebenszufriedenheit, Glaubensstile, Bewältigungsstrategien und kinderwunschspezifische Fragen. (red)