Innenansicht der NYT: "Page One".

Foto: Viennale

Wenn er seine Interviews beendet, wird er oft gefragt: "Wie wird es mit der New York Times weitergehen?" Die Antwort weiß niemand, auch nicht David Carr, Medienjournalist bei ebendieser. In Zeiten von Internet, iPad und Social Media verliert selbst die altehrwürdige NYT immer mehr Leser und muss um ihr Überleben kämpfen.

Regisseur Andrew Rossi wirft in Page One: Inside the New York Times einen Blick auf den Status quo der nur drittgrößten, aber mit Abstand einflussreichsten amerikanischen Tageszeitung. Im Mittelpunkt stehen die Redakteure des 2008 eröffneten Medienressorts, aber auch Experten wie Journalismusprofi Jeff Jarvis, Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales und Watergate-Aufdecker Carl Bernstein kommen zu Wort.

Ausführlich behandelt werden die Tiefpunkte der letzten Jahre, etwa die Verbreitung der Fehlinformation, dass es Massenvernichtungswaffen im Irak gebe, die frei erfundenen Reportagen des Außenredakteurs Jayson Blair oder die Kündigung von hundert teils langjährigen Redakteuren Ende 2009.

Es gibt aber auch Anlass für Optimismus: Waren es nicht die Wikileaks-Enthüllungen von letztem Herbst, die die Macht der klassischen Medien bewiesen? Wikileaks-Gründer Julian Assange entschied sich bewusst dafür, die 250.000 vertraulichen Depeschen nicht einfach online zu publizieren, sondern diese von der NYT, dem englischen Guardian und dem Spiegel bearbeiten und veröffentlichen zu lassen. Die erzielte Aufmerksamkeit war enorm und wäre ohne die großen Zeitungen wahrscheinlich nie erreicht worden.

Rossi ist weniger eine Beschreibung des Redaktionsalltags als vielmehr eine breitgefächerte, ausgewogene und erstaunlich spannende Analyse der wichtigsten Zeitung der Welt gelungen. (Florian Bayer / DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2011)