Links: Roland Zorn, früherer Fußballchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner. Rechts: Thomas Parits und Dortmund-Wunderwuzi Hans-Joachim Watzke.

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"Du musst die Ruhe erst einmal selbst ausstrahlen, auch wenn das schwer ist. Auch wenn es in dir brodelt, dann soll man nicht aussehen wie ein Vulkan, der jeden Moment anfängt, Lava zu speien. Du musst eine gewisse Gerissenheit ausstrahlen, du musst klare Führungsstrukturen haben. Es muss immer klar sein, wer die Entscheidungen trifft und als Drittes braucht es Kontinuität auf den Positionen des Sportmanagers und des Trainers. Wenn man jedes Jahr auf neue Felle setzt, dann wird man keinen durchgreifenden Erfolg haben, sofern man nicht finanziell so stark ist, dass man sich alles leisten kann", so schilderte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Sendung "Sport und Talk aus dem Hangar-7" am Montag Abend die Erfolgsstrategie des deutschen Bundesligaklubs, der noch in der Saison 2005/06 knapp am Konkurs vorbeigeschrammt ist und 2010/11 den Meistertitel in den Ruhrpott holte.

Ruhe statt Rotationen

Dass in der Ruhe die Kraft liegt, wusste schon der chinesische Philosoph Konfuzius, und diese Weisheit hat natürlich auch im Fußball Gültigkeit. Das bestätigt auch Austria-Vorstand Thomas Parits, der wie ÖFB-Sportdirektor Ruttensteiner und Roland Zorn (ehemals Fußballchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) Gast der Sendung war: "Wir haben Ruhe in den Club hineingebracht. Vorher hatten wir zu viele Trainer-Rotationen. Nun haben wir die gleiche Philosophie wie Dortmund, die Borussia ist unser Vorbild. Wir bauen genauso junge Spieler in die Mannschaft ein, nachdem Frank Stronach ausgestiegen ist und wir die finanziellen Mittel nicht mehr hatten", berichtete der Vorstand der Favoritner.

Für die Entwicklung der Nachwuchsspieler sei es wesentlich, dass "die Akademie-Spieler wissen, dass sie die Chance bekommen, in die erste Mannschaft zu kommen", so Parits, der froh ist, dass die Akademie nicht mehr 50 Kilometer von der Generali-Arena entfernt liegt und dass auch der Nachwuchs mittlerweile in Favoriten und nicht mehr im Happelstadion trainiert.
"Die kurzen Wegstrecken sind sehr wesentlich. Unter Stronach hatten wir drei Standorte.  Jetzt sind wir alle zusammen auf einem Platz. Die Spieler sehen die Entwicklung", sagte Parits.

Damit die Nachwuchshoffnungen sehen, wohin die Reise gehen kann, werden Poster jener Spieler in der Akademie aufgehängt, die den Sprung in die Kampfmannschaft geschafft haben. Wichtig sei außerdem, dass man am internationalen Geschäft teilnimmt. "Wir haben uns das Ziel gesetzt, dass wir in die Europa League kommen, damit sich unsere Spieler international weiterentwickeln können", erklärte Parits, der weiß, dass "international ein anderer Wind weht".

Die Austria will künftig und weiterhin "Ausbildungsverein auf höchstem Niveau" sein. Lichtblicke wie David Alaba, der von den Favoritnern ausgebildet wurde, oder die Transfers von Dragovic und Baumgartlinger sollen nicht Einzelfälle bleiben, sondern Teil einer tragenden Säule Nachwuchsarbeit sein.

Jugend statt Starkult

Ähnlich wie in Dortmund, wo man vom ursprünglichen auf Starspieler ausgerichteten Kurs abgewichen ist und zunehmend auf den eigenen Nachwuchs setzte. Das Triumvirat bestehend aus Geschäftsführer Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und Coach Jürgen Klopp hat sich als Idealbesetzung für den Verein entpuppt. Die Schwarz-Gelben haben sich ganz klar für die Forcierung der Jugendarbeit ausgesprochen und der unter langsam wachsender Rückendeckung der Fans eingefahrene Erfolg gab ihnen Recht. "Die Mannschaft ist atmosphärisch gewachsen", sagte Watzke. Die Erfolglosigkeit in der aktuellen Champions League-Spielzeit bezeichnet er, vermutlich ohne größere Fan-Proteste, als "Betriebsunfälle".

Dortmund-Coach Klopp weiß, dass "Rückschläge dazu gehören, wenn man erfolgreich sein will". Wenn man "super aufgestellt" ist, wird man "morgen nicht hopsgehen", erklärte Klopp. Watzke schwört wie Parits auf einen "ganzheitlichen Ansatz". Von der U9 bis zu den Profis trainieren alle auf ein und demselben Areal. "Es ist wesentlich, dass die Neun-, Zehnjährigen auf denselben Plätzen trainieren wie ihre Vorbilder. Das schweißt zusammen. Du musst es vorleben und du musst dir Zeit nehmen", so Watzke.

Dass man sich von Deutschland einiges abschauen kann, ist natürlich auch Willi Ruttensteiner nicht entgangen. Der ÖFB-Sportdirektor hält Deutschland für "ganz, ganz wichtig für uns". Ruttensteiner versichterte, mit seinem Pendant, Matthias Sammer, viel über Talenteförderung und Leistungszentren zu sprechen. Man vergleiche auch die Lizenzierungssysteme und wähne sich "auf einem gutem Weg".

ÖFB und Strukturen

"Wir haben im Bereich der Struktur Zielsetzungen aufgestellt. Wir haben Grundprinzipien formuliert, wir haben uns eine Zusammenarbeit von Sportdirektor und Teamchef definiert. Und wir haben mit Marcel Koller einen Trainer geholt, der zu dieser Struktur passt und diese für gut befunden hat. Wir haben die Vision, die Top 30 zu erreichen", versuchte der ÖFB-Sportdirektor die wesentlichen Veränderungen innerhalb des österreichischen Verbandes zu erklären.

Neben den "Ergebniszielen" (Die Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien und die EM 2016 in Frankreich) nannte Ruttensteiner aber auch "Performance-Ziele", der Trainer soll eine Spielphilosophie entwickeln, aus dieser heraus soll über Jahre hinweg eine Spielkultur entstehen. Es gehe jetzt um die Überführung der Nachwuchs-Erfolge in die Nationalmannschaft. "Und da, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg". Im Zuge der Strukturreform hat man Nachwuchs und Nationalteam zu einer Einheit zusammengeführt. Auch die Zusammenarbeit zwischen Sportdirektor und Teamchef soll eine enge werden.

Auch im ÖFB setzt man demnach auf Kontinuität, die beim Nachwuchs beginnt und in den Erfolgen des A-Teams gipfeln soll. Ruttensteiner ortet jedoch noch ein ganz anderes Problem. Als er mit Koller von Wien nach Graz unterwegs war, erzählte der Neoteamchef, dass er das Ziel Brasilien 2014 unbedingt schaffen möchte. Nur wenn er davon spricht, merkt er, "dass die Leute das nicht glauben". Ruttensteiner sieht darin Handlungsbedarf. "Wir müssen daran arbeiten, dass die Leute wieder mehr Vertrauen in die Nationalmannschaft und zu unseren Spielern haben. Herr Watzke hat die Spieler Alaba, Arnautovic, Baumgartlinger, Fuchs oder Janko als sehr gute Spieler hingestellt und es tut mir weh, wenn diese Spieler im eigenen Land gar nicht so gesehen werden", bedauert der ÖFB-Sportdirektor.

Österreich und die Hoffnung

Ruttensteiner verwies aber auch auf zuletzt großes Fan-Interesse in der Alpenrepublik. In der Zuseher-Statistik der EM-Quali belegte Österreich den neunten Platz. "Die Österreicher spüren, dass hier etwas im Entstehen ist, sie haben Hoffnung. Die Zuschauer haben die Leistung gegen Deutschland und selbst beim Remis gegen die Türkei, als die Qualifikation endgültig verspielt wurde, respektiert", glaubt der Oberösterreicher.

Dortmund-Geschäftsführer Watzke ermahnte, sich nur ja keine zu hohen Ziele zu stecken, Deutschland sei angesichts der sich "stapelnden Talente" unerreichbar, Schweden und Irland auch eine Klasse höher einzuschätzen: "Man muss immer wieder betonen, was es für eine Sensation wäre, sollte Österreich wirklich 2014 in Brasilien dabei sein", so Watzke.

Roland Zorn, ehemals Fußballchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, betonte die Wichtigkeit einer Spielidee, damit man wisse, was man anstrebe. Nicht alles soll an Ergebnissen orientiert werden. "Wenn es Österreich 2014 nicht packt, dann soll man nicht aufhören und sagen, wir tauschen jetzt mal den Trainer aus, nehmen fünf neue Spieler rein. Man braucht Rückgrat. Österreich hat mit Koller einen guten Trainer, der etwas unterschätzt wird. Er hat in der Bundesliga unter schwierigen Voraussetzungen in Bochum einen guten Job gemacht. Er ist kein Selbstdarsteller, kein Showman, kein PR-Fachmann, aber ein sehr, sehr guter Arbeiter", so Zorn.   (Thomas Hirner, derStandard.at, 25. Oktober 2011)