Seltsame Tiermasken vor entstellten Gesichtern: Adrian Sitaru greift in seinem zweiten Spielfilm "Din dragoste cu cele mai bune intentii / Best Intentions" auf ungewöhnliche Blickweisen zu.

Foto: Viennale

Alex, ein nicht mehr ganz junger Mann, sitzt gerade auf einem orangefarbenen Sofa und verabredet ein Treffen für den Nachmittag, als ihn ein Anruf von seinem Vater erreicht. Etwas ist geschehen, die Mutter musste ins Krankenhaus, noch weiß man nichts Genaues, doch für Alex ist dieser Anruf Alarm genug. Er zieht sich an und macht sich auf den Weg nach Hause. Das bedeutet in diesem Fall: aus Bukarest in eine kleinere Stadt, die aber immerhin ein Krankenhaus hat. Während er noch im Zug sitzt, ist Alex unentwegt am Telefon. Noch hat er die Mutter gar nicht gesehen, da trifft er schon Vorbereitungen, was mit ihr geschehen soll. Sie muss unbedingt nach Cluj verlegt werden, dort kennt Alex jemanden, den Ärzten in seiner Heimatstadt ist ja nicht zu trauen.

Beiläufig erfahren wir so auch die erste Diagnose: vorübergehende Ischämie hat dazu geführt, dass Alex' Mutter ein wenig desorientiert war und in diesem Zusammenhang auch nach einem rosa Nachthemd verlangt hat, von dem sich herausstellt, dass sie es in zehnfacher Ausfertigung daheim im Schrank hatte. Was es wohl damit auf sich hat?

Gleichwertige Details

Wie in so vielen neueren rumänischen Filmen sind auch in Adrian Sitarus Din dragoste cu cele mai bune intentii (Best Intentions) die wichtigen und unwichtigen Informationen nicht immer sofort leicht zu unterscheiden. Die besondere Stilistik, an die sich das internationale Festivalpublikum durch Arbeiten von Cristi Puiu, Cristian Mungiu, Corneliu Porumboiu oder Radu Muntean gewöhnen konnte und die auf jeden Fall als neue Variante klassischer, neorealistischer Formen gesehen werden kann, bringt es mit sich, dass das Geschehen vor der Kamera anders hierarchisiert ist als in den geläufigeren Ästhetiken etwa des US-Kinos. Die langen Einstellungen haben gerade das zum Prinzip, dass sie eine Gleichwertigkeit der Details mit sich bringen, die den "natürlichen" Blick auf eine in der Regel ja nicht organisierte Welt als filmische Konstruktion einzuholen versuchen.

Sitaru geht dabei in Best Intentions noch einen Schritt weiter als seine Kollegen, indem er den subjektiven Blick einer Person im Raum an vielen Stellen zum Blick des Films macht - wir sind dadurch persönlich involviert, wir sind in gewisser Weise auf Identifikationen verwiesen, die dramaturgisch nicht sofort naheliegen - etwa mit einer Frau mit Maske (wegen eines entstellten Gesichts) oder mit dem Neurologen, den Alex geringschätzig behandelt.

Fast alle Filme der rumänischen "Neuen Welle" handeln von der Spannung zwischen Individuum und Institution. Auch Best Intentions gehört in diese Reihe, nimmt allerdings eine auffällige Akzentverschiebung vor. Hier steht ein Mann im Mittelpunkt, der als Einzelkind und Muttersöhnchen ziemliche Schwierigkeiten hat, das normale Funktionieren zum Beispiel einer Krankenstation als das zu nehmen, was es für ihn eben nicht ist: Routine im guten Sinn. Sitaru zeigt kein von den öffentlichen Einrichtungen verlassenes Individuum, sondern eine Figur, die immer nur "mehr" will, und dadurch den ganzen Film an den Rand einer Tragikomik bringt, die dem rumänischen Kino neue Richtungen andeutet. (Bert Rebhandl, DER STANDARD - Printausgabe, 25./26. Oktober 2011)