Budapest - In Ungarn ist die Oppositionspartei der Sozialisten (MSZP) zerbrochen. Unter der Führung des früheren sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany (2004-2009) traten zehn von insgesamt 58 MSZP-Parlamentariern aus ihrer Partei aus, um unter dem Namen "Demokratische Koalition" eine neue Partei zu gründen und im Parlament eine eigene Fraktion zu bilden. Dies gab Gyurcsany am Samstag bei einer Großversammlung seiner bisher zur MSZP gehörenden Gruppe "Plattform der Demokratischen Koalition" bekannt.

Der Schritt kam erwartungsgemäß, nach einem monatelangen, dramatischen Flügelkampf. Die MSZP war nach dem Fall des Kommunismus aus der früheren kommunistischen Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (MSZMP) hervorgegangen und hatte von 1994 bis 1998 und von 2002 bis 2010 in Ungarn regiert.

Vorbild Blair

Gyurcsany vertritt eine liberal geprägte Sozialdemokratie nach dem Modell des Briten Tony Blair. Die von Attila Mesterhazy geführte Rest-MSZP gilt als stärker links, mehr dem Wohlfahrtsstaat verpflichtet, stärker von älteren Kadern geprägt, die bereits in der kommunistischen Vorgängerpartei aktiv waren.

Gyurcsanys Partei soll offiziell aus der bereits formell existierenden, kleinen "Demokratischen Partei" konstituiert werden, deren Name und Programm geändert werden sollen. Damit will Gyurcsany nach eigenen Angaben die für neue Parteien vorgeschriebene Registrierungsprozedur vor Gericht umgehen.

Der 50-jährige, schwerreiche Geschäftsmann Gyurcsany hatte 2004 als politischer Quereinsteiger die Macht in der MSZP übernommen und den angeschlagenen damaligen Ministerpräsidenten Peter Medgyessy (2002-2004) abgelöst. Der parteilose Medgyessy hatte mit Unterstützung einer sozial-liberalen Koalition regiert und war unter anderem wegen Enthüllungen um seine Arbeit für den früheren kommunistischen Geheimdienst Ungarns in Ungnade gefallen.

2006 gewann die MSZP unter Gyurcsanys Führung zuletzt eine Parlamentswahl. Wenige Monate später wurde Gyurcsanys schwache Machtbasis in seiner eigenen Partei mit Ausbruch des Skandals um seine sogenannte Lügenrede offensichtlich. Gyurcsany hatte in dieser internen Rede seine Parteifreunde auf seinen liberalen Kurs einschwören wollen, unter anderem mit dem Argument, dass die "Lügen" um die Finanzierbarkeit des Wohlfahrtsstaats beendet werden müssten. Weil er dabei auch einräumte, dass die MSZP im Wahlkampf das Volk belogen habe, kam es nach Bekanntwerden dieser Rede zu gewaltsamen Demonstrationen gegen ihn in Budapest, unter Beteiligung rechtsradikaler Randalierer.

2009 legte Gyurcsany sein Amt als Ministerpräsident nieder, nachdem die damalige Koalition zwischen Liberalen und MSZP zerbrochen war. Die von der jetzt regierenden rechtsnationalen Partei FIDESZ personell umgestaltete Staatsanwaltschaft versucht derzeit, Gyurcsany wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht zu bringen. (APA)