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Justizministerin Beatrix Karl und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei der Präsentation des Anti-Terror-Paketes. Nun wird das Sicherheitspolizeigesetz von Kritikern zerpflückt.

Foto: APA/Fohringer

Die Kritik am Anti-Terror-Paket von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizministerin Beaxtrix Karl (beide ÖVP) reißt nicht ab. Während das Terrorismuspräventionsgesetz diese Woche im Parlament trotz Proteste der Opposition beschlossen wurde, endete am Freitag die Begutachtungsfrist für den zweiten Teil, für das Sicherheitspolizeigesetz.

Menschenrechtsorganisationen, NGOs, die Österreichische Rechtsanwaltskammer und die Opposition mahnen, die Novelle greife in die Grundrechte der Staatsbürger ein, Österreich werde zum Überwachungsstaat. 

Die Ministerinnen geben vor, die Staatsbürger schützen zu wollen und Terroranschläge wie in Norwegen durch diese Maßnahmen verhindern zu können. Anders sieht das Rupert Wolff, Präsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer, er sieht einen Angriff auf die Demokratie.

Handyortung unter dem Deckmantel der Terrorgefahr

"Die konkreten Auswirkungen für die BürgerInnen lassen sich anhand des Gesetzestextes nur erahnen. Es kann zu einer missbräuchlichen Verwendung personenbezogener Daten kommen, das wollen wir schon im Vorfeld verhindern", sagt Wolff im Gespräch mit derStandard.at. Das habe natürlich Konsequenzen für einzelne Bürger: "Die Polizei hat in Zukunft die Möglichkeit, unter dem Vorwand eine Person sei in Gefahr, nicht nur dessen Handy-Standort zu orten, sondern auch die Handydaten jener Personen, von denen die Polizei lediglich annimmt, dass sie sich in der Nähe des Gesuchten befindet." Das sei ein nicht notwendiges und bedenkliches Nebenprodukt der Novelle unter dem Deckmantel einer Terrorgefahr. Wenn ein Bergsteiger in Gefahr sei, habe das nichts mit Terrorprävention zu tun. 

In der Sicherheitspolizei-Novelle werden die Befugnisse der Polizei unter der Vorgabe der "erweiterten Gefahrenforschung" erheblich ausgedehnt. Sicherheitsbehörden können personenbezogene Daten aufheben, wenn sie vorgeben, dass eine Gefahr weiter besteht. Das sieht Wolff als massiven Eingriff in die Grund- und Bürgerrechte. "Das ist letztlich ein weiterer Tropfen, der geeignet ist, die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen."

Verdacht genügt für Überwachung

Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, pflichtet ihm bei. Er verweist auf den Fall Sigrid Maurer, die laut Bundessamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung als terrorverdächtig gilt, weil sie im Parlament durch Zwischenrufe von der Besuchergalerie gegen die Hausordnung verstoßen hatte. "Die Speicherung ihrer Daten war bis dato rechtswidrig, in Zukunft ist es legitim, Personen wie Sigrid Maurer im Konnex mit staatsfeindlichen Vorhaben zu speichern und das ist hoch problematisch", sagt Steinhauser im Gespräch mit derStandard.at. "Für mich sind Personen der ÖH nicht staatsfeindlich. Durch die erweiterte Gefahrenforschung können Unschuldige ins Visier kommen, vielleicht auch ohne das zu wissen und können dadurch Nachteile erleiden" , so der Grüne Nationalratsabgeordnete.

Steinhauser und Wolff sind sich einig, dass ein unabhängiger Richter beizuziehen ist, bevor Sicherheitsbehörden personenbezogen Daten abfragen dürfen. Für die Erhebung reicht laut Gesetzesentwurf der bloße Verdacht, genehmigt werde das durch den Rechtsschutzbeauftragten der im Innenministerium angesiedelt ist. 

Rupert Wolff weist auf einen anderen heiklen Paragraphen hin: Künftig kann gegen eine Person, die sich öffentlich für Gewalt gegen Menschen, Sachen oder verfassungsmäßige Einrichtungen ausspricht, nach dem neuen Gesetz mit all seinen Mechanismen ermittelt werden. "Wenn Sie in einer Runde von Freunden die Meinung äußern, der 'Österreichische Verwaltungsgerichtshof ist ein Sauhaufen', das ist eine verfassungsgemäße Einrichtung, dann könnte Sie Gefahr laufen einer erhöhten Datenspionage zum Opfer zu fallen" erläutert Wolff. In Bezug auf Datenspeicherung warnt der Grüne Justizsprecher: "Wo es Daten gibt, gibt es auch Datenmissbrauch. Das muss einem auch bewusst sein: Wer Daten speichert, muss wissen, dass Daten auch verloren gehen  oder in falsche Hände gelangen können."

Steinhauser: Auswirkungen auf politischen Aktivismus

Steinhauser vermutet andere Motive hinter der geplanten Novelle. Sie habe "massive Auswirkungen" auf den politischen Aktivismus. Denn das Gesetz sieht Verwaltungsstraften für wiederholte Besetzungen vor. Friedliche Besetzungen seien der klassische Fall von zivilem Ungehorsam. Dabei gehe es nicht nur um bildungspolitische Proteste wie #unibrennt oder Ökoaktivismus, sondern auch um gewerkschaftliche Maßnahmen, wie eine Betriebsbesetzung. 

"Wenn das das Ziel des Innenministeriums ist, dann ist eh schon alles offengelegt", meint Steinhauser. Er sieht zivilen Ungehorsam als wichtigen Teil der Gesellschaft. "Alle diese Proteste haben etwas bewirkt, ziviler Ungehorsam ist wichtig und darf nicht kriminalisiert werden." Vordergründig werde ein Terrorpaket geschnürt, im Hintergrund werden klassische politische Protestmaßnahmen sanktioniert. 

"Machen wir uns nichts vor, Terroristen besetzen nicht irgendwelche Grundstücke, lassen sich wegweisen und kommen wieder. Meine Vermutung ist, dass bei bildungspolitischen Protesten und ähnlichem die Befugnisse der Polizei ausgebaut werden sollen."

Rechtsanwaltskammerpräsident Wolff hofft auf eine Überarbeitung der Novelle. Er fordert eine "Prüfung auf Herz und Nieren und auf den verfassungsmäßigen Bestand". Die Rechtsanwaltskammer sei bereit, an einer Expertengruppe teilzunehmen. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 23.10.2011)