Jonas Mekas schickt unnachahmliche Videogrüße.

Foto: Viennale

Wenn sich zwei Filmemacher Videobriefe schicken, ist es wohl unvermeidlich, dass es irgendwann auch um die Einstellung zur eigenen Arbeit geht. In Correspondencia Jonas Mekas - J. L. Guerín, einem entsprechenden Austausch zwischen dem Spanier José Luis Guerín und dem US-Underground-Kino-Veteran Jonas Mekas, ist dieser Moment jedoch gar nicht festzumachen, weil es für die beiden kaum etwas gibt, was weit genug vom Film wegführen könnte, um nicht doch wieder auf denselben zurückzufallen.

Für den rund 40 Jahre jüngeren Guerín (En construcción) ist Mekas in mehrfacher Hinsicht eine Vaterfigur, das wird schon aus dem ersten Brief deutlich, in dem er dessen Credo, er würde auf das Leben mit der Kamera reagieren, zitiert. Der Kontrast von Gueríns melancholischem Tonfall, seinen überlegten Kompositionen und den etwas beflissenen filmischen Referenzen zu Mekas' mit leidenschaftlicher Hand geführter Videokamera, die sich auch durch Unschärfen und Ruckler nicht irritieren lässt, könnte allerdings kaum größer sein.

Gemeinsam ist ihnen das Bedürfnis zu filmen, wann immer sich dazu die Gelegenheit bietet, und dieses Drängen bestimmt auch ihren Blick auf die Welt. Guerín macht den Anfang, er schreibt und filmt von unterwegs, aus Paris, später von Boston, wo er den durch Henry David Thoreau berühmt gewordenen Walden Pond besucht, dessen Landschaft ihn wiederum an Mekas' Anrufung der Musen als den Anfang aller Kunst erinnert. Mekas wiederum muss nur aus dem Fenster seines Apartments in Brooklyn schauen, um sein Sujet zu finden, beispielsweise die Bäume auf der Straße, die im Frühling zu "happy trees" werden.

Das Schöne an Correspondencia ist, dass ein richtiger Dialog entsteht, denn jeder Brief reagiert auf den anderen, greift etwas auf und spinnt es weiter. Wenn Guerín der 2009 ermordeten slowenischen Filmkritikerin Nika Bohinc gedenkt, dann erzählt der aus Litauen stammende Mekas daraufhin von seinem "Fehler", Europa besucht zu haben - überall stößt er auf die Übel der Vergangenheit.

Das Kino bleibt dagegen so etwas wie eine Heimstatt: Guerín räsonniert über die Leinwand und sein eigenes Venedig-Filmfestival, während Mekas mit Jim Jarmusch ein bisschen Small Talk über italienische Restaurants in New York führt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 22./23. Oktober 2011)