Gerhard Richter: 10,45 Mio. Pfund, ein neuer Rekord, angeheizt durch die Tate-Retrospektive.

Foto: Christie's

Das sind ja Zustände wie in Wien, könnte man angesichts der jüngsten Verkaufsquoten motzen. Alles unter 80 Prozent mag ja im deutschsprachigen Raum als Erfolg durchgehen. In London schrammt man damit - am Beispiel der Auktionen zeitgenössischer Kunst vergangene Woche - gerade noch an der Grenze zur Peinlichkeit vorbei.

Betroffen waren davon alle, sowohl Phillips de Pury (12. 10., Evening Sale 66 %), Bonhams (13. 10., Contemporary One 70 %) als auch Christie's (15. 10., Italian Sale 70 %) und vor allem Sotheby's (13. 10., Evening Sale 76 %, Italian Sale 79 %). Immerhin, gut zwei Drittel des jeweiligen Angebots wechselten dennoch den Besitzer.

Zumindest offiziell, denn wenn nicht ein Kunstwerk an Anwesende, sondern wie bei Phillips de Pury alle an Telefonbieter zugeschlagen werden, dann entspricht das nicht der gängigen Norm. Mit dem Total von 8,24 Millionen Pfund kam man also mit einem blauen Auge davon und verzeichnete mit Jeff Koons Seal Walrus Trashcans auch einen Zuschlag jenseits der Eine-Million-Pfund-Marke, exakt zum Limit von 2,1 Millionen. Ein blutiges Näschen holte sich aber Debütant Bonhams, wo selbst der kleine Tross von 20 Kunstwerken nur eingeschränkt abgesetzt werden konnte. Auch Zugpferd Alighiero Boetti (Anno 1984, Taxe 1,2-1,8 Mio. Pfund) kapitulierte, wiewohl man dem Einbringer im Vorfeld eine gewisse Summe garantiert hatte. Pech.

Neuer Richter-Weltrekord

Potenzielle Kunstkäufer gaben am gleichen Abend dem Angebot von Sotheby's den Vorzug, wenn auch hier eingeschränkt. Peter Doigs Bellevarde (1995) fiel durch, im Einkauf hatte der Einbringer 2001 umgerechnet 83.400 Pfund berappt, nun scheiterte das Schlüsselwerk an der Taxe (1-1,5 Mio.). Um Lucian Freuds Boy's Head kämpfte Acquavella Galleries (New York) vergeblich, den Zuschlag erteilte man bei 3,12 Millionen an einen Telefonbieter.

Seine Liebe zu güldenem Bling-Bling stellte ein asiatischer Käufer bei Marc Quinns Microcosmos unter Beweis und sicherte sich die aus zehn Kilogramm Gold gegossene Kate Moss in Yoga-Verrenkung für 577.250 Pfund.

Insgesamt bilanzierte Sotheby's nach drei Sitzungen mit 46,18 Millionen Pfund, blieb damit aber deutlich hinter Konkurrent Christie's, der in ebenso vielen Auktionen mehr als 65 Millionen zusammenkratzte. Und dort notierte man auch den höchsten Zuschlag der Woche: Für Gerhard Richters Kerze (1982) setzte sich ein geduldiger skandinavischer Sammler gegen drei weitere Telefonbieter erst bei 10,45 Millionen Pfund und damit zum neuen Richter-Weltrekord durch. (kron, DER STANDARD - Printausgabe, 22./23. Oktober 2011)