Sirte - Die Beerdigung des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi wird sich nach Angaben der libyschen Übergangsregierung noch um einige Tage verzögern. Ein Termin stehe noch nicht fest, sagte der Ölminister des Übergangsrats, Ali Tarhouni, am Freitag.
Es sei beschlossen worden, den Leichnam noch für einige Tage aufzubewahren, "damit jeder sicher ist, dass er tot ist", sagte Tarhouni der Nachrichtenagentur Reuters. Derzeit befinde sich die Leiche in Misrata. Eine Entscheidung darüber, wo Gaddafi beigesetzt werden solle, sei noch nicht gefallen. Zunächst hatte es geheißen, der am Vortag getötete Gaddafi solle noch am Freitag beigesetzt werden.
Widersprüche über Tötung
Nach der Tötung Gaddafis gibt es widersprüchliche Angaben zu den genauen Umständen seines Todes. Der Chef der Übergangsregierung, Mahmud Jibril, erklärte, Gaddafi sei ins Kreuzfeuer von Regierungskämpfern und eigenen Anhängern geraten und habe dabei einen tödlichen Kopfschuss erlitten. Er sei demnach aber noch lebend nach Misrata gebracht worden. Nach Einschätzung eines Arztes starb Gaddafi durch "Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch". Ein Mediziner im Krankenhaus von Misrata, der Gaddafis Leiche untersucht habe, sei zu diesem Schluss gelangt, berichtete der arabische Nachrichtensender al-Arabiya am Freitag.
DNA-Test
Die Leiche Gaddafis ist am Freitag in den Kühlraum eines Einkaufszentrums in der Nähe von Misrata gebracht worden. Die Leiche wurde auf eine Matratze gelegt, während sich vor dem Raum etwa 30 Menschen einfanden, um einen Blick auf Gaddafi zu werfen, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Nach Angaben eines Sprecher des Militärrats in Misrata sollen noch DNA-Tests vorgenommen werden, bevor Gaddafi beigesetzt wird. Die Tests könnten demnach zwei Tage in Anspruch nehmen.
Der Informationsminister der neuen libyschen Führung, Mahmoud Schamam, hatte zuvor erklärt, es sei unklar, wann und wo die Leiche des langjährigen libyschen Machthabers beigesetzt werden soll. Noch sei keine Entscheidung über die Bestattung getroffen worden. Am Donnerstagabend hatte der Nationale Übergangsrat zunächst erklärt, die Leiche solle nach einer Autopsie an einem unbekannten Ort beerdigt werden. Die neue Führung will vermeiden, dass Gaddafis Grab zur Pilgerstätte für letzte Anhänger wird.
Al Arabiya: Saif al-Islam Gaddafi gefasst
Laut dem Dubaier Fernsehsender al-Arabiya ist Gaddafis Sohn Saif al-Islam inzwischen gefasst. Der Sender strahle Bilder des in Österreich ausgebildeten 39-Jährigen aus, "sobald seine Wunden verbunden sind", heiß es im Twitter-Account des Kanals.
NATO hat Konvoi "unabsichtlich" bombardiert
NATO-Kampfflugzeuge haben am Donnerstag den Gaddafi-Konvoi bombardiert, ohne zu wissen, dass Gaddafi in einem der Fahrzeuge saß. Das geht zumindest aus einer am Freitag von der NATO veröffentlichten Darstellung der Ereignisse hervor.
Demnach sei von den NATO-Flugzeugen ein Konvoi von etwa 75 Militärfahrzeugen in der Nähe der Stadt Sirte entdeckt worden. Zunächst sei ein einziges Fahrzeug beschossen worden, "um die Bedrohung zu verringern". Daraufhin habe sich der Konvoi aufgeteilt, die gepanzerten Fahrzeuge seien in verschiedene Richtungen gefahren. Sie seien mit "einer erheblichen Menge von Waffen und Munition beladen" gewesen.
Eine Gruppe von 20 Fahrzeugen sei dann mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden gefahren. NATO-Flugzeuge hätten daraufhin auf diese Fahrzeuge geschossen und etwa 10 davon zerstört. "Zur Zeit des Angriffs wusste die NATO nicht, dass sich Gaddafi in dem Konvoi befand", heißt es in der Mitteilung der NATO. "Das Eingreifen der NATO war ausschließlich durch die Verringerung der Bedrohung für die Bevölkerung begründet."
"Wir haben später durch offene Quellen und durch Aufklärung von Verbündeten erfahren, dass sich Gaddafi im Konvoi befand und der Angriff wahrscheinlich zu seiner Gefangennahme beigetragen hat", heißt es in der NATO-Mitteilung. Das Bündnis machte keine Angaben über die Nationalität der beteiligten Flugzeuge.
Außer Gaddafi sollen auch dessen Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi und Verteidigungsminister Abu Bakr Yunis getötet worden sein. Ebenfalls getötet wurde Gaddafi-Sohn Mutassim, der wie sein Vater in Sirte starb. Der Arzt, der Gaddafi obduzierte, untersuchte auch Mutassims Körper; er sei mehrfach getroffen worden.
Jibril sagte weiters am Donnerstagabend nach Angaben des Senders Al-Jazeera, die neuen Machthaber wollten an diesem Samstag offiziell den Beginn der Übergangsphase auf dem Weg zu einem demokratischen Staat verkünden. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil, wolle dies in Sirte, der Heimatstadt von Ex-Diktator Gaddafi tun. Dann werde binnen 30 Tagen eine neue Übergangsregierung gebildet. Acht Monate später solle dann ein Nationalkongress einberufen werden, um die Weichen für einen kompletten Neuanfang zu stellen.
Sondersitzung
Der NATO-Rat will auf einer Sondersitzung voraussichtlich schon heute den Militäreinsatz in Libyen für beendet erklären. US-Präsident Barack Obama sprach von einem "historischen Tag in der Geschichte Libyens". "Sie haben ihre Revolution gewonnen", sagte er in Washington an die Adresse der Rebellen gerichtet. In einer Videokonferenz stimmte Obama mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem britischen Premier David Cameron darin überein, dass dies ein "außergewöhnlicher Tag" für die NATO-geführte Militärallianz sei, vor allem aber für die libysche Bevölkerung.
Die NATO hatte monatelang Ziele in Libyen bombardiert, um nach eigener Darstellung die Bevölkerung zu schützen. Der Einsatz ermöglichte den Sturz Gaddafis durch Rebellen. (red/APA)