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Nachdem rund 60 Studenten am Donnerstagabend eine Senatssitzung gestürmt hatten, bekam die Polizei – wieder einmal – den Befehl, eine Kundgebung in Santiago mit Wasserwerfern aufzulösen.

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Die Studenten in der Senatssitzung. Sitzend in der Mitte: Bildungsminister Felipe Bulnes.

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In der Regierung wächst die Nervosität, Innenminister Hinzpeter will noch härter als bisher durchgreifen.

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Santiago de Chile / Porto Alegre - Camila Vallejo ist zornig: "Unser Kampf ist nicht einfach" , so die Studentensprecherin der Universidad de Chile bei einer Kundgebung in Santiago. "Die Regierung hat uns die Tür ins Gesicht geschlagen, sie ist unfähig, den historischen Augenblick zu nutzen, um strukturelle Veränderungen im Bildungssystem umzusetzen."

Am 48-stündigen "Generalstreik" hatten sich diese Woche wieder Hunderttausende im ganzen Land beteiligt. "Wir haben gezeigt, dass die Bewegung Oberwasser hat" , meinte der oberste Lehrergewerkschafter Jaime Gajardo. Und Giorgio Jackson von der Katholischen Universität forderte erneut eine Steuerreform zur Finanzierung eines kostenlosen und öffentlichen Bildungssystems, für das Schüler, Studierende, Lehrer und viele mehr seit Mai auf die Straße gehen.

Diese Demonstrationen laufen aber nur selten völlig friedlich ab. Allein im Großraum Santiago fanden bisher rund 110 Kundgebungen statt, dabei gab es mehr als 1700 Festnahmen.

Nachdem am Dienstag Randalierer einen Bus in Brand gesetzt hatten, drohte Innenminister Rodrigo Hinzpeter sogar mit dem Staatssicherheitsgesetz aus der Zeit der Pinochet-Diktatur (1973- 1990). "Juristisch hat das wenig zu bedeuten" , kommentierte dies Rechtsprofessor Claudio Nash. "Doch politisch ist es eine starke Botschaft: ein Versuch, den sozialen Protest zu kriminalisieren."

Der Elternverein der Hauptstadtregion protestierte indes wiederholt bei der Regierung gegen das oft brutale Vorgehen der Polizei. "Wir haben regelrechte Folterbilder aus mehreren besetzten Schulen gezeigt" , berichtete Eduardo Catalán.

Doch der rechtsliberale Präsident Sebastián Piñera stellt sich sturer denn je. Immerhin denkt er jetzt laut darüber nach, bis zu 60 Prozent aller Studierenden Stipendien zu gewähren. Damit greift er eine Forderung aus dem Regierungslager auf, doch die Gegenseite beeindruckt das nicht.

"Unser Ausgangspunkt waren nicht die ‚Empörten‘ in Spanien" , kontert Camila Vallejo. "Unsere Bewegung ist nicht spontan, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses und einer gründlichen Analyse der ungerechten Lage in Chile."

Und die Studenten geben sich noch lange nicht zufrieden: Am Donnerstagabend stürmten Dutzende eine Sitzung des Bildungsausschusses im Senat. Nach einer Stunde konnte die Sitzung wieder aufgenommen werden, doch einige Studenten konnten sich im Senatsgebäude verschanzen; die Ausschusssitzung musste ein zweites Mal unterbrochen werden. Unterdessen ging die Polizei auf der Straße mit Wasserwerfern gegen hunderte Studenten vor. (Gerhard Dilger /DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2011)