Bern - "Herr Ober, ich krieg noch ein Bier." Wer in dieser Tonart in einem Schweizer Lokal bestellt, darf keine Sympathiestürme erwarten. Außer, der Ober ist Deutscher - was häufig vorkommt. Damit ist ein Problem umrissen, das besonders in der Ostschweiz soziale Spannungen auslöst: die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus der EU und vor allem aus Deutschland, seit die Schweiz 2009 die Personenfreizügigkeit der EUübernommen hat.

Die Schweiz hat im internationalen Vergleich einen hohen Ausländeranteil: 1,7 Millionen der knapp acht Mio. Einwohner, rund 22 Prozent. Die größte Gruppe stellen die Deutschen, die Österreicher liegen an 6. Stelle (OECD 2009). Im Kanton Zürich leben derzeit rund 80.000 Deutsche und etwa 10.000 Österreicher (von insgesamt 1,3 Mio. Einwohnern).

Das "Problem" mit den Deutschen: Sie sind meist hochqualifiziert und überdurchschnittlich in prestigeträchtigen Berufen vertreten. Viele Schweizer können mit deren "nassforschen" Art wenig anfangen und vermissen deren Bereitschaft, sich ihrer gemächlicheren Lebensart anzupassen.

Initiative gegen Migration

Da hätten die Österreicher klare Vorteile, meint etwa selbst Thomas Heyn, Vizechef der Fachstelle für Integrationsfragen des Kantons Zürich: "Sie sprechen eine Sprache, die wir gern haben - und sie sind keine Deutschen."

Nach ihrem Erfolg bei den Referenden gegen den Bau von Minaretten und für die Abschiebung krimineller Ausländer hängt die SVP das Thema Zuwanderung auch in diesem Wahlkampf hoch. Rechtzeitig lancierte sie eine Volksinitiative "Masseneinwanderung stoppen" . Ein Ziel ist die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens und neue Quoten. Zwar lehnt der SVP-Wirtschaftsflügel dies strikt ab. Aber Tilman Renz, Informationschef des EU-Büros der Bundesregierung, hält es für möglich, dass viele einen "Schuldigen" für ihre Ängste suchen und sich auf die Personenfreizügigkeit stürzen. "Dann könnten es 50,1 Prozent dagegen sein - und wir haben ein Problem." (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2011)