Zwei Systeme in einem: Mit einem Klick auf das "Work Phone"-Icon...

Foto: VMware

...wird auf ein vollständig getrenntes, zweites Android-System gewechselt, das de fakto umgehend.

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Mit einem neuen Produkt will der Virtualisierungsexperte VMware künftig auch auf Smartphone-Markt reüssieren. Horizon Mobile erlaubt den Betrieb von zwei vollständig separat gehaltenen Android-Systemen auf ein und demselben Mobiltelefon.

Firmen

Interessant könnte das vor allem für Unternehmen sein, wie Hoofar Razavi, Director Product Manager Mobile Solutions, im Gespräch mit dem WebStandard betont. Lässt sich auf dieses Weise doch privates und geschäftliches Umfeld klar trennen. Die Mischung solcher Daten auf ein und demselben Gerät bereite Firmen nicht zuletzt aus einer Sicherheitsperspektive erhebliches Kopfzerbrechen.

Hands-On

In einem Hands-On zeigt sich dann, wie das Ganze funktioniert: Über ein Icon auf dem Android-Home-Screen wird in das zweite, virtualisierte Android-System gewechselt. Da die nötigen Services schon beim Systemstart geladen werden, geht das praktisch umgehend, auch wenn hier natürlich noch die Eingabe eine Passworts - oder eines Zahlencodes - ansteht.

Sieht aus wie... Android

Rein optisch ist dieser Unterschied zunächst einmal nur durch einen anderen Hintergrund und die leichten grafischen Differenzen einzelner Android-Versionen zu erkennen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass hier all die gewohnten Anwendungen fehlen, auch einen Android-Market gibt es nicht, nur wirklich für das eigene Unternehmen essentielle Apps sind installiert.

Administration

Administriert wird das virtuelle Android-System mit dem externen Horizon Mobile Manager, wo über ein Web-Interface unter anderem festgelegt werden kann, welche Apps auf dem betreffenen System installiert werden sollen - und diese auch gleich auf das Gerät gepusht werden können. Dabei können die Apps nach Belieben vorkonfiguriert werden, so dass die NutzerInnen selbst keinerlei Einstellungen für Mail und Co. mehr vornehmen müssen. Zudem lassen sich eine Reihe von Vorschriften festlegen, etwa zur minimalen Passwort-Qualität oder zur Nutzung von Copy & Paste.

Einschränkung

Da die virtuelle Umgebung von Haus aus vollen Zugriff auf die diversen Hardware-Funktionen des Smartphones hat, lassen sich auch in dieser Hinsicht Einschränkungen definieren, etwa die Nutzung der Kamera innerhalb der Arbeitsumgebung verhindern. Das virtuelle Android-System wird dabei mit AES-256 verschlüsselt in einem Image auf dem Host-Android abgespeichert, um den Zugriff auf die enthaltenen Daten effektiv zu verhindern. Alle Netzverbindungen des virtualisierten Androids laufen über den Firmen-VPN, was den Zugriff auf interne Systeme ermöglicht, und den Datenverkehr absichert.

Auswahl

Den Unternehmen stehen unterschiedliche Android-Images bei der Nutzung von Horizon Mobile zur Verfügung, derzeit unterstützt VMware offiziell Android 2.2 und 2.3. So lässt sich dann natürlich auch eine ältere Version innerhalb der neueren betreiben - oder umgekehrt. Zudem handelt es sich bei allen Images um ein weitgehend unmodifiziertes System, also ein von den diversen Veränderungen der Herstellen an Launcher und Co. freigehaltenes.

Integration

Freilich bringt so eine vollständige Trennung von Arbeits- und Freizeitumgebung auch so manches Problem mit sich, will man doch nicht dauernd zwischen den beiden Systemen wechseln, um schnell mal zu schauen, ob neue Mails gekommen sind. Horizon Mobile löst dies, indem Benachrichtigungen aus dem Gastsystem auch im Host dargestellt werden können. Das Anklicken dieser wechselt dann gleich in das Arbeits-Android. Das Ganze funktioniert übrigens auch umgekehrt.

Anforderungen

Besonders stolz ist Razavi auf die niedrig gehaltenen Hardwareanforderungen für die Nutzung von Horizon Mobile. 700 MHz und 512 MB RAM reichen aus. Dass dies kein reines Marketing-Versprechen ist, demonstriert man anhand eines Nexus One, auf dem die Software tatsächlich tadellos läuft. Ziel sei es, dass die NutzerInnen keinerlei Unterschied zwischen einem virtualisierten und einem nativen Android-System bemerken, so der VMware-Manager. Im Hands-on ließ sich diese Behauptung größtenteils nachvollziehen, Scroll-Bewegungen waren allerdings etwas weniger "sanft". Razavi führt dies darauf zurück, dass es sich bei der Software noch um eine Vorversion handle, bis zur fertigen Release sollen also weitere Optimierungen folgen.

Ressourcen

Den zusätzlichen Ressourcenbedarf sieht der Manager allgemein im vernachlässigbaren Bereich. Bei modernen Smartphones verbrauche ohnehin das Display den Löwenanteil der Akku-Laufzeit, zudem habe man auch hier viel optimiert, um den Unterschied möglichst gering zu halten.

Kooperation

Separat zu kaufen wird es Horizon Mobile übrigens nicht geben, damit all die Funktionalität überhaupt möglich ist, muss man diverse Änderungen am Android-Host-System vornehmen. Razavi versichert zwar, dass diese "minimal" seien, trotzdem bedeutet dies, dass die Zukunft der Software in Partnerschaften mit Hardwareherstellern und Mobilfunkbetreibern zu suchen ist.

Abkommen

Die ersten solchen Abkommen hat man denn auch gleich im Laufe der VMworld Europe 2011 verkündet: So wollen sowohl der US-Provider Verizon als auch die spanische Telefonica in den kommenden Monaten "mehrere" Smartpone-Modelle mit Horizon Mobile ausstatten. Gerade die Spanier zeigen dabei, was sich mit einer solchen Lösung alles machen lässt, soll es hier doch möglich sein mit einer SIM-Karte unterschiedliche Telefonnummern für beide Umgebungen zu nutzen.

Mitgeliefert

Langfristig hofft Razavi darauf, dass praktisch alle Android-Smarpthones von Haus aus für Horizon Mobile vorbereitet sind. Es gebe jedenfalls sehr starkes Interesse von zahlreichen Herstellern, die darauf hoffen lassen. NutzerInnen, die nicht an der Lösung interessiert sind, brauchen sich wegen deren Integration übrigens keine Sorgen machen: Der Hypervisor wird erst nach der ersten Freischaltung von Horizon Mobile (mithilfe einer eigenen Autorisierungs-App, die aus dem Android-Market bezogen wird) aktiv, sonst wird er beim Boot gar nicht gestartet, verbraucht also auch keine Ressourcen.

Ausblick

Weitere solcher Deals hofft man in den kommenden Monaten bekanntgeben zu können, dann hoffentlich auch mit mehr Infos zu konkreten Smartphone-Herstellern und -Modellen. Schon vor einiger Zeit hatte man verkündet mit LG und Samsung in dieser Frage zusammenzuarbeiten, auf der Konferenz präsentiert man die eigene Lösung denn auch unter anderem auf einem Galaxy S II. Zu Preisfragen äußert man sich bislang noch nicht, Razavi betont aber, dass es sich hierbei um ein Enterprise-Produkt handle, die Preise also in entsprechenden Regionen angesiedelt sein werden.

Zukunftsmusik

Während man mit der ersten Version von Horizon Mobile ganz auf den Enterprise-Bereich fokussiert ist, lässt Razavi auf Nachfrage durchblicken, dass man mit späteren Releases auch andere Märkte bedienen könnte. So wäre es eventuell für EntwicklerInnen von Interesse, mehrere Android-Versionen auf einem Gerät zu betreiben. Auch die Möglichkeit eigene Android-Images zu nutzen, sei etwas für spätere Versionen der Software. Bereits fix geplant ist zudem eine Tablet-Version von Horizon Mobile, rein technisch seien die Unterschiede zu Smartphones bei Android ja minimal, so der VMware-Manager. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 20.10.11)