Der Drogenschmuggler der Herzen und seine Angebetete: Chloë Sevigny und Rhys Ifans, zwei bewährte Schauspieler im leider gerade einmal mittelprächtigen Biopic "Mr. Nice".

Foto: Polyfilm

Wien - Ein roter Vorhang geht auf, und einer tritt ins Scheinwerferlicht. Mit dem Rücken zur Kamera wendet er sich an sein Publikum und beginnt zu reden. Der Mann ist der Waliser Howard Marks, der als hochbegabtes Arbeiterkind an der Universität in Oxford in den 1960er-Jahren nicht nur Atomphysik, sondern auch allerhand bewusstseinserweiternde Substanzen studierte. In weiterer Folge avancierte er zu einem bedeutenden Verbreiter und Verfechter weicher Drogen in Großbritannien - bis er schließlich verhaftet und in den Vereinigten Staaten zu einer 25-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Bald nach seiner vorzeitigen Entlassung und der Veröffentlichung seiner Memoiren 1996 begann der echte Howard Marks mit der Geschichte seines Lebens auch auf Tour zu gehen, seine One-Man-Show An Audience with Mr. Nice erfreute sich großer Beliebtheit. Wohl wegen des Wiedererkennungseffekts beginnt nun die Verfilmung seines Lebens genau an dieser Stelle: Der Vorhang geht auf, der Mann beginnt das Auditorium zu unterhalten, dann übernehmen jedoch schnell Spielszenen, zunächst noch in Schwarzweiß.

Denn die Geschichte beginnt noch im Elternhaus. Und die Entscheidung, den 43-jährigen Hauptdarsteller Rhys Ifans, einen großgewachsenen und schlaksigen Mann, schon den Oberschüler Howard verkörpern zu lassen, sorgt gleich einmal für leichtes Befremden. Auch die Kostümierung als Teddy-Boy in Oxford wirkt nicht wirklich glaubwürdig - aber auch nicht entschieden genug, um als Konzept und Verfremdungseffekt durchzugehen. Und man fragt sich überhaupt bei vielen Lebensstationen, weshalb der Film von Bernard Rose sie so pflichtschuldig abklappert, anstatt dem biografischen Material eine schlüssige Filmerzählung abzugewinnen.

Szenenweise gelungen

Am gelungensten ist Mr. Nice immer dann, wenn sich die Dinge ein wenig verselbstständigen: Anrufe aus Karatschi ("ein gewisser Archie ist am Apparat") in einem irischen Dorfpub, wo ein paranoider IRA-Mann (David Thewlis) sich in seinem eigenen Code verheddert, haben geradezu monty-pythoneske Qualitäten. Leider sind diese Szenen die Ausnahme, und leider werden sie mitunter auch noch per Off-Kommentar erklärt.

Hauptdarsteller Rhys Ifans, der 1999 als verkommener Mitbewohner von Strahlemann Hugh Grant in Notting Hill auf sich aufmerksam machte und sich seither unter anderem in verschrobenen Komödien wie Michel Gondrys Human Nature (2001) oder Noah Baumbachs Greenberg (2010) profilierte, wird eindeutig unter Wert geschlagen. Dass er sich gegen reichlich Kostüm, Kopfputz und Kajal darstellerisch ansonsten zu behaupten weiß, das kann man demnächst in Roland Emmerichs Shakespeare-Enthüllungs-Drama Anonymus nachprüfen.  (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 20.10.2011)