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San Francisco 49ers-Headcoach Jim Harbaugh (li) und Detroit Lions-Coach Jim Schwartz (re) hatten sich einiges zu sagen.

Foto: AP/ Rick Osentoski

Also ob das Spiel zwischen Detroit (5-1) und San Francisco (5-1) als solches nicht schon genug Gesprächsstoff hergegeben hätte, drehte sich danach alles um eine „Obszönität" von 49ers Headcoach Jim Harbaugh gegenüber seinem Kollegen Jim Schwartz.

Was ist passiert? So ganz genau weiß es niemand bis auf die beiden, obschon es davon ein Video gibt. Harbaugh, einst ein Trainer-Held an der Stanford University, die er zu ungeahnten Erfolgen führte, der hätte es (wieder einmal) übertrieben. Zu College Zeiten hatte der jüngere Bruder des Ravens-Headcoaches John Harbaugh schon mal Probleme solcher Art mit der USC-Ikone und dem heutigem Seattle-Cheftrainer Pete Carroll. Jim (der eine) ging auf Jim (den anderen) zu, zeigte vorher noch seinen blanken Bauch, schlug danach etwas fest in die Hand von Schwartz ein und gab dem Unterlegenen zu allem Überdruss noch einen ordentlichen Klaps auf den Rücken. Das gefiel Schwartz ganz und gar nicht. Er lief Harbaugh nach, es folgte ein Handgemenge, in dem sich Kyle Vanden Bosch (!), bei dem jeder mit Verstand die Straßenseite reflexartig wechselt, sich als Friedensstifter profilieren konnte. Was für eine wunderbares Casting, für einen am Ende doch recht langweiligen Film im Film. Die Benimm-Abteilung der NFL sah sich die Sache gleich an und urteilte: Darüber reden nicht mal wir weiter.

Harbaugh legte bei der Pressekonferenz noch nach. Er nahm beim Einatmen die Schuld auf sich, beim Ausatmen erklärte er, dass sein Händedruck für Schwartz wohl zu heftig war (sozusagen der Fishermen's Friend-Effekt). Die Erklärung der Verhaltensauffälligkeit bezüglich der nackigen Wampe erklärte er auch. Bei den Harbaugh's zu Hause kamen früher die Männer von der harten Arbeit heim, zogen das Hemd aus und setzten sich vor die Kiste. So war das. Das ist seine Erinnerung an eine glückliche Kindheit. Warum er im Spiel eine Challenge Flag warf, obwohl der Spielzug den Regeln nach gar nicht zu challengen war? Reine Vorsicht. Er wusste, dass er eine 15-Yards Raumstrafe dafür kassieren würde, wollte den Replay Assistants oben in der Booth damit mehr Zeit schenken.

Ganz sauber ist das/er in Summe sicher nicht, aber sehr erfolgreich. Und wer braucht schon Langweiler? Von denen gibt es eh genug.

Aber HALT! Drei Absätze über einen Handschlag - ich kippe sogleich voll mit rein. Wie eingangs erwähnt: Das Spiel war gut genug. Mehr noch: Es hat alle Erwartung erfüllt. Die Lions sind nicht mehr ungeschlagen und die 49ers mit dem Sieg endgültig in den erweiterten Favoritenkreis aufgestiegen. Die Kalifornier hatten auf fast jede Frage der Herren aus Michigan die richtige Antwort. Frank Gore war eine davon, die gesamte Defensive-Line eine andere. Stafford ging in der Endzone für einen Safety zu Boden Gegenüber blieb Alex Smith (und das war ganz wichtig!) angenehm unauffällig. Der könnte sich noch als Schwachstelle herauskristallisieren. Detroit war nur in wenigen Momenten in der Lage ihre brandgefährliche Offense zur Geltung kommen zu lassen. Am Ende reichte dieses magere Flackern nicht. Kein Beinbruch für die Lions, aber eine Heilung für die weiland waidwunden Niners, die nach dem 25:19 am Ford Field zum ersten Mal seit 1998 nach sechs Spielen bei 5-1 stehen.

Hope springs eternal

Beide Franchises schafften damit auch einen synchronen Rebound. Sowohl die Lions als auch die 49ers starteten 2010 mit 1-5 in die Saison, stellen das Ergebnis nun eine Saison später auf den Kopf. Die NFL als die Liga, in der es (fast) immer Hoffnung gibt.

Coaching-Probleme der etwas anderen Art sah man dann auch im Spiel der Tampa Bay Buccaneers (4-2) gegen die New Orleans Saints (4-2). Saints Headcoach Sean Payton fiel früh mit einer Knieverletzung aus - sein eigener Tight End Jimmy Graham lief ihn an der Sideline um. Payton konnte zunächst noch im Sitzen weiter arbeiten, musste zur Halbzeit dann aber aufgeben.

Haben die Saints wegen dieses Ausfalls dann ihr Spiel bei den Bucs verloren? Jein. Prinzipiell sollte das alleine kein allzu großes Problem darstellen, denn Payton geht ja nicht als Gralswächter ins Spiel. Sein kompletter Staff, in erster Linie der Offense Coordinator, aber auch Drew Brees, wissen natürlich, was gespielt werden soll. Nur das Spiel stand dann Spitz auf Knopf und man könnte zumindest der Meinung sein, dass der geniale Gedankenblitz mit Payton gemeinsam im Behandlungsraum saß. Gelegen hat es klarer Weise aber davor schon an den Turnovers der Saints. Vier an der Zahl waren es und Tampa konnte aus diesen auch Kapital schlagen. Ein überraschend fitter Earnest Graham als Ersatzmann für LaGarette Blount und „Mister Solid" (an dem Tag jedenfalls) Josh Freeman konnten die Fehler bzw. die gute Arbeit ihrer Defense nutzen. Das kam insofern überraschend, da Tampa die Woche zuvor noch eine katastrophale 3:48 Niederlage gegen San Francisco bezog. Eine Woche danach schnappen sie sich die Führung in der NFC South. Womit wir wieder bei der steten Hoffnung sind. Kleines Trostpflaster: Drew Brees warf für 383 Yards und ist somit der erste Quarterback in der Geschichte der NFL, der bei vier Spielen in Folge jeweils Pässe für in Summe mehr als 350 Yards an den Mann brachte.

Payton wurde am Montag übrigens operiert, wird diese Woche schon wieder zurück im heiligen Office erwartet. Sonntagnacht steht für die Saints dann auch ein Pflichtsieg gegen die darnieder liegenden Indianapolis Colts (0-6) an. Der Traum von einer Super Bowl im eigenen Stadion (5. Februar 2012, Lucas Oil-Stadium) ist für die Fohlen wohl geplatzt und die sechs Niederlagen in den bisherigen sechs Spielen tragen kurioserweise den Namen von Peyton Manning. Mehr dazu empfehle ich an der Stelle von meinem Kollegen Christian Wagner, der sich auf orf.at mit dem Siechtum in Indiana tapfer auseinandergesetzt hat. Tampa empfängt Chicago (3-3), womit die Hoffnung der Saints, nach Woche 7 wieder an der Spitze der Division zu stehen, durchaus vital ist. Die Bears zerlegten Minnesota (1-5), die Donovan McNabb nach zwei weiteren Vierteln voll lila Traurigkeit auf die Bank setzten und Rookie Christian Ponder (9/17 für 99 Yards) erstmals in die Arena schickten. Es kann nur besser werden.

Einsame Langeweile in Titletown

Natürlich hatte die Detroit-Niederlage noch eine weitere Auswirkung: Green Bay (6-0) ist seit Sonntag das einzige Team der laufenden Saison ohne Niederlage. Die Packers empfingen am Lambeau Field die Rams (0-5) und sollten der wirtschaftlichen Fairness halber der Bevölkerung Wisconsins die Hälfte ihres Eintrittsgeldes zurück erstatten. Der amtierende Champion fertigte die Gäste nämlich im Schnellverfahren ab - es stand zur Pause 24:3. Nach dieser konnten die Rams nicht zulegen und die Packers machten zumindest nicht den Anschein, als würden sie unbedingt mehr wollen, als möglichst schnell unter die Dusche. St. Louis, bzw. mehr ihre kontinentalen Fans, die habe ja einen super Geheimplan. Der sieht so aus, dass man zunächst mal 0-7 geht (dann wird man nämlich total unterschätzt), und die schwachen Mannschaften nach Woche 8 schlägt man dann einfach der Reihe nach. Einziges Problem bei der Sache sind nun die Namen dieser Schwächlinge. Zwei Mal San Francisco, Cincinnati und Pittsburgh - das sieht derzeit dann doch mehr nach einem 1-3 als nach einem 3-1 aus, nicht wahr? Und wenn man ganz ehrlich ist, dann gibt es auf Basis der derzeitigen Leistungen auch wenig Grund zur Annahme, dass die Spiele gegen Arizona, Cleveland und Seattle allesamt klare Angelegenheiten für St. Louis werden. Wir sind nicht beim Baseball. Die Rams sind weg, gehen im günstigsten Fall 5-11. Hier gilt das Prinzip Hoffnung eben nicht, denn da ist Hopfen und Malz verloren. Keine schlagkräftige Offense (#25), eine lausige Defense (#30) - das Trauern kann beginnen. Jetzt.

Ganz oben, wo die Raben fliegen

Mehr als nur Hoffnungen dürfen sich dagegen die Baltimore Ravens machen. 4-1 nach einer gar nicht so einfachen Schedule bisher - das macht Mut und Lust auf mehr. Die Steelers und Bengals (4-2) schon mal in der Division auf der Minimaldistanz gehalten, stehen nach dem formidablen 29:14-Sieg über Houston jetzt die Edgar Allen Poe-Festspiele am Spielplan. Jacksonville mit 1-5 und einem Rookie Quarterback am Start (bitte die Baltimore Defense spätestens jetzt ins Fantasy Team nehmen) schaut nach viel dunklem Spaß aus, ebenso Arizona (1-4). Danach kommt es zum Showdown mit den Steelers. Ein Baltimore-Sweep an Pittsburgh und die Miete für das Playoff ist eigentlich bezahlt, denn danach warten u.a. so „Kaliber" wie Seattle oder Indianapolis.

Was macht Baltimore so stark? Die Ravens stehen ja irgendwie nie so richtig unter voller Beobachtung. Immer Green Bay, immer New England, immer New Orleans. Richten sich die Scheinwerfer dann mal auf sie, sieht man vermeintlich alte Herren - Ed Reed oder Ray Lewis. Diese Defense lässt pro Spiel im Schnitt gerade mal zwei Touchdowns zu. Und genau das ist auch der Schlüssel zum Erfolg. Alt, aber gut und der größte NFL-Grunzer eines Phrasenschweins darf angewandt werden: Defense Wins Championships. Ka-Ching! Nur wann wieder? Dabei entwickelte sich Ray Rice zum Überflieger auf der Runnigback Position. Quarterback Joe Flacco schaut zwar nicht gerade wie ein NFL-Superstar aus, macht dafür aber erfreulich wenig falsch, spielt einfach sicher seinen Stiefel runter. Das könnte langen. Auch für den ganz großen Wurf. Baltimore stand zuletzt 2001 ganz oben. Ray Lewis war da schon dabei. Als Super Bowl MVP...

Was sonst noch geschah

Wer spielte aller letzte Woche mit Cam Newton als Quarterback in seinem Fantasy Team? Aufzeigen. Die gute Nachricht: Das Warten auf einen Absturz hat nun ein Ende. Dass es gerade gegen die eigentlich ja üble Defense von Atlanta (3-3) passiert, das ist das wirklich Gemeine an der Sache. Wobei, so ganz überzeugend war der Crash dann auch nicht. Die drei Picks tun dem Fantasten weh, die höchste Saisonniederlage (- 14 Punkte) den Panthers umso mehr, die braven 287 Offensive Yards und der eine TD haben den Sturz aber noch ein wenig abgefedert. Am Sonntag kommt Washington nach Charlotte. Was tun wir mit Newton? Sagen Sie es mir, bitte. Ich habe solche Angst. Noch was zu Carolina: Im November 2010 sagte ich (Puls 4 ist mein Zeuge), Detroit kommt in der nächsten Saison ins Playoff. Eigentlich habe ich es nur Michael Eschlböck nachgeplappert, aber ich habe es gesagt! 2012 dann: Playoffs mit Carolina. Hier deponiert.

„Tebow! Tebow! Tebow!" - Ruhe! Die Rolling Boards in Denver gehören wieder den Versicherungen und dem Chipsfabrikanten, die Schreierei hat ein Ende. Die Denver Broncos haben Tim Tebow in der Bye Week zum Starting Quarterback ernannt. Er wird es auch noch nach dieser sein und in Miami (0-5) heuer zum ersten Mal starten. Konsequent ist aber anders, denn zuvor wäre er laut Headcoach John Fox hinter Kyle Orton und Brady Quinn (sic!) nur die Nummer 3 im Team gewesen. Es ist nicht nur inkonsequent, sondern dazu auch noch ein möglicher Hinterhalt. Fox mag Tebow nicht. Das sagt er nicht, aber jeder weiß es. Noch weniger mag ihn John Elway. Der sagt es schon gar nicht, aber jeder weiß es. Die Broncos traden gleichzeitig ihren Top Receiver Brandon Lloyd nach St. Louis, weil passen brauchen wir jetzt eh nicht mehr, jetzt wo Tebow hier ist? Das ist Blödsinn. Das sagen weder Fox noch Elway, aber jeder weiß es. Sie wollen Tebow wohl los werden, ihn verbrennen und am Ende der Saison, die man heimlich schon abgehakt hat, verhökern. Das ist gut möglich der Plan der beiden Herren, die dann eben nicht das Rückgrat besaßen, bei ihrer Entscheidung zu bleiben, weil die Fans den Mann spielen sehen wollen, den das Team ja freiwillig geholt hat! Was wäre das für ein verschlagener Sauhaufen!? Ich hab mir alte Videos von Elway angesehen und ich kann gut verstehen, dass er Tebow nicht braucht. Elway stand gefühlte anderthalb Minuten in der Pocket. Man konnte einen Rubik-Würfel lösen, bevor er sich - fix montiert fünf Schritte hinter seiner Line - vom Ball mal trennte. Nur das ist Tebow nicht. Das wäre Orton aber auch nur vielleicht, denn dafür fehlt es in Denver an der Line. Und zwar links, rechts und in der Mitte. Und Orton ist dann auch kein Roethlisberger (das Elway Update 2.0), sondern einfach nur Mittelmaß. Das täte mir leid für Tebow, den ich als Spieler irgendwie richtig gut finde. Ich hoffe er zerlegt Miami, Denver prosperiert mit ihm und die beiden Herren werden zu Logenmuppets degradiert, die sich im Jänner dann selbst weg traden können. Am besten auf einen Golfplatz. Hätte ich mir auch nicht gedacht, Elway in ein Single-Handicap zu verwünschen.

Die Oakland Raiders (4-2) haben ihr Spiel gegen Cleveland (2-3) zwar gewonnen, dabei aber Quarterback Jason Campbell (Schlüsselbeinbruch) verloren. Er ist bereits operiert und kann eventuell heuer wieder spielen, es kam danach aber trotzdem zu einem überraschenden Trade. Oldie Carson Palmer (versenkt im Pensionistenheim Cincinnati) ist in Oakland angekommen. Die Raiders hätten ja noch die Option Kyle Boller (na ja) und den Rookie Terrelle Pryor (eher ja). Auch wenn der Move jetzt nicht gar so smart aussieht (Gregg Rosenthal von ProFootballTalk.com twitterte dazu sarkastisch: „So the Raiders have used their 2012 1st on Palmer, 3rd on Pryor, and 4th on Campbell."), mache ich mir zum ersten Mal seit Jahren irgendwie keine Sorgen um die Raiders. Ein Bauchgefühl ist es, welches mir sagt: die kommen weit.

PULS 4 zeigt in Woche 7 mit Green Bay@Minnesota ab 23:15 erstmals kein Live-Spiel, sondern ein As-Live/Eh-Fast-Live-Spiel. Das ist die schlechte Nachricht und Sie können mir glauben, dass sie auch mir nicht gefällt. Das Quiz-Taxi wurde vor die NFL geschoben. Und sagen Sie mir auch nicht, dass das Spiel auf ESPN America live läuft - ich habe ein TV-Programm. Ich bin nur der Typ am Piano. Es gibt dazu auch anderthalb gute Nachrichten. Die halbe gute Nachricht ist, dass wir nach der Halbzeitpause dann wieder Zeit aufholen und Live-Nähe erreichen. Die ganze gute Nachricht ist: Rund um Weihnachten werden wir nicht nur wieder Live drauf sein, sondern auch eine Studiosendung mit einer Expertenrunde dabei haben. Bleiben Sie uns treu, die Saison ist lange. (Walter Reiterer)

Green Bay Packers vs. Minnesota Vikings
Sonntag 23. Oktober 2011, 23:15, As Live PULS 4
Kommentatoren: Walter Reiterer und Pasha Asiladab

NFL-Ergebnisse Woche 6:

Washington Redskins - Philadelphia Eagles 13:20
New York Giants - Buffalo Bills 27:24
Pittsburgh Steelers - Jacksonville Jaguars 17:13
Detroit Lions - San Francisco 49ers 19:25
Cincinnati Bengals - Indianapolis Colts 27:17
Atlanta Falcons - Carolina Panthers 31:17
Green Bay Packers - St. Louis Rams 24:3
Oakland Raiders - Cleveland Browns 24:17
Baltimore Ravens - Houston Texans 29:14
New England Patriots - Dallas Cowboys 20:16
Tampa Bay Buccaneers - New Orleans Saints 26:20
Chicago Bears - Minnesota Vikings 39:10
New York Jets - Miami Dolphins 24:6

Tabellen: siehe NFL.com