Im Karl-Wrba-Hof öffnen sich private Türen für Kunst.

Foto: Kunst zahlt Miete/Thaler

Wien - Vorführeffekt nennt man das: Kaum sind die Besucher da, ist der Papagei stumm. Er spricht noch nicht, aber sonst singt und pfeift er viel, verrät die 15-jährige Kati über den jugendlichen Vogel. Jetzt habe sie dem folgsamen Tier gesagt: "Sei still, ich schau fern." Dafür zwitschert und plappert es aus der Konserve. Die Audio-CD mit den Vogelimitationen stammt von Regula Dettwiler. Die Künstlerin hat in der Wohnung der Familie Ari auch einen behäkelten Gummibaum platziert, das Lieblingsstück des Teenagers.

Dettwiler ist eine von elf Künstlerinnen und Künstlern, die beim Projekt Kunst zahlt Miete. Miete zahlt Kunst im Karl-Wrba-Hof im 10. Bezirk mitwirken. In den 70er-Jahre-"Senfbauten" (ein Spitzname für den braune Eternitplatten verantwortlich sind) fanden sich im Gegenzug elf Gastgeber für die Kunst - und für temporäre Besucher. Viele von ihnen tauchten zum ersten Mal in die Anonymität des Gemeindebaukomplexes ein, in dem etwa 3000 Menschen (ein Drittel minderjährig) leben.

Genau um diese Anonymität geht es im Projekt, das versucht, Kunst als Mittler einzusetzen für Geschichten, die zwischen Bewohnern und Künstlern ausgetauscht werden, und für solche, die bei den Besuchen ganz neu entstehen. Die Zaungäste, die an drei Abenden den Weg tief in den zehnten Bezirk finden, sind laut Gerald Straub, einem der Kuratoren, aber keine Voyeure. Viel eher sind sie Nutznießer der Geschichten und geben dem Projekt über die Öffentlichkeit höheren Stellenwert, als würden sich Familien und Künstler einfach so begegnen.

Als Thomas Draschan bei den Arabacis zu Gast war, grub man gemeinsam wieder die kunstfertige Arbeit des Großvaters aus (ein Bild der Hagia Sofia auf Kupferplatte), das nun in Dialog mit einem hieroglyphenartigen Bild Draschans tritt. Verbündete in der gemeinsamen Ausstellung wurden etwa Wolfgang Winkler von Stiege 27, der Pharaonen malt, und die Gruppe Mahony, die sich mit dem Niemandsland zwischen Ägypten und Sudan beschäftigt.

Gefunden haben sich auch Paul Albert Leitner und der 89-jährige Hobbyfotograf Klobutschar. Das System für das 40.000 Aufnahmen umfassende Archiv erklärt dessen Frau Hildegard. Der Mieterbeirätin ist das gute Miteinander in den Höfen großes Anliegen.

Hoffnungen, die auch andere Projektteilnehmer teilen. Trotzdem klingt Frau Miladinoviæ, für die die Gruppe IEFS die Arbeit Bitte nehmen Sie Platz kreierte, resigniert: "Nachbarn waren noch keine da." Während die Fremden ihr Wohnzimmer bevölkern, verbrennt allerdings der Kuchen im Rohr. "Macht nichts", sagt sie, als der Besuch sich verabschiedet. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgbe 19. Oktober 2011)