Kaori Endo bringt den LeserInnen ihres neuen Kochbuchs "Echt japanisch kochen" jene japanische Küche nahe, die sie von ihrer Mutter gelernt hat. Die in Paris lebende Japanerin war Gastronomiekritikerin, heute kocht sie im eigenen Lokal - gesund und ungekünstelt.
Dass die japanische Küche weit mehr zu bieten hat als Sushi, Teriyaki Hühnchen und Miso Suppe, wird beim Durchblättern des Buches schnell klar. Die kulinarische Reise nach Japan beginnt bei der "Küche für alle Tage". In Japan besteht eine typische Mahlzeit neben Reis und einer Suppe aus einem weiteren Gericht wie Fleisch oder Fisch. Wenn es schnell gehen muss, bereitet man zum Mittagessen Kleinigkeiten zu, meist aus Reis oder Nudeln. Eine Institution auf Japans kulinarischer Landkarte ist der don, eine große Schale Reis, bedeckt mit einer Garnitur bestehend aus Gemüse oder Fleisch. "Genau genommen verstößt dieses Gericht gegen die Tradition, denn die Japaner pflegen eigentlich die Gewohnheit, den Reis separat zu servieren und erst im Mund mit anderen Aromen zu verbinden", erklärt die Köchin. Was Nudeln betrifft, gibt sich Japan gespalten. Im Südwesten werden Udon-Nudeln, eine weiße Pasta aus Weichweizen bevorzugt, im Nordosten Soba- Nudeln aus Buchweizen. "Man kann die Herkunft eines Japaners durch die simple Frage erraten, ob er eher Udon- oder Soba-Anhänger ist", so Endo.
Saisonale Küche
Im Kapitel "Was die Saison bietet" führt die Autorin durch die Jahreszeiten. Der Frühling beginnt mit geschmorten Bamubssprossen, vegetarischen Frühlings-Tempura und Reisküchlein mit Beifuß. Ein typisch japanisches Mittagessen an heißen Sommertagen sind eisgekühlte Somen-Nudeln, die in einer mit Eiswürfeln gefüllten Glas- oder Steingutschale serviert werden. Im Herbst gibt es den bei vielen Japanern heiß geliebten Klebreis mit Maronen, gebratene Pilze oder gegrillten Makrelenhecht, der in Japan zwischen August und November gefangen wird. Hoto, ein Eintopf mit hausgemachten Nudeln oder Entenfondue wärmen im Winter.
Festtagsessen
Da das japanische Jahr mit unzähligen traditionellen Volksfesten gespickt ist, widmet sich ein eigenes Kapitel den Festtagsgerichten. Zum Mädchenfest "hina matsuri" am 3. März serviert Kiyoko Endo, die Mutter der Kochbuchautorin, Chirashi-Sushi. Ebenso zum Knabenfest am 5. Mai. "Osekihan", der rote Reis, gilt als das japanische Festtagsgericht schlechthin. "Kaum eine Gelegenheit wird ausgelassen, um den mit Azuki-Bohnen eingefärbten Reis, dessen Farbe die bösen Geister vertreiben soll, auf den Tisch zu bringen", schreibt Kaori Endo.
Kindheitserinnerungen
Die Rezepte ihrer Mutter nachzukochen, bedeutet für Endo, einen Teil ihrer Kindheit wiederzufinden und ihre Wurzeln zu festigen. Bento-Boxen und Onigiri (Reisbällchen) erinnern sie an die Mittagspausen ihrer Kindheit. Jetzt kocht sie für ihre eigenen Kinder: "Meine Bentos sind meinen Kindern vorbehalten, damit sie die Kästchen mit der gleichen Freude öffnen wie ich damals, denn dieser Moment ist genauso köstlich wie das Bento selbst."
Fast jedes Rezept schließt mit dem "Tipp meiner Mutter" ab. Kiyoko Endo verrät hierbei den LeserInnen kleine Tricks, die aus jahrelanger Kocherfahrung stammen und die Vor- und Zubereitung oft deutlich erleichtern und Gerichte verfeinern. Wie bereits für ihr erstes Kochbuch "Une japonaise à Paris" arbeitet Endo mit der Fotografin Iris L. Sullivan zusammen - mit einem Ergebnis, das ästhetisch keine Wünsche offen lässt - naja, fast keine. Mehr Bilder von den fertigen Gerichten wäre bei Rezepten, wo viele keine Vorstellung vom Endprodukt haben, von großem Vorteil. (urs, derStandard.at, 11.1.2012)