Doralt: Bei einer befristeten Anhebung des Spitzensteuersatzes "liegt die Umgehung auf der Hand".

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Wien - Immer mehr ÖVPler können sich als "Solidarabgabe" eine befristete Anhebung des Spitzensteuersatzes vorstellen - zuletzt Bauerbund-Präsident Fritz Grillitsch. Der Steuerrechtler Werner Doralt hält diesen Vorschlag aber für einen "Rohrkrepierer", wie er am Montag erläuterte. Bei der von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll ins Spiel gebrachten Idee "liegt die Umgehung auf der Hand", meint Doralt.

Rot-schwarze "Planlosigkeit"

Seine Begründung: Hebe man den Spitzensteuersatz (derzeit 50 Prozent) nur befristet an, würden alle Kapitalgesellschaften vorübergehend keine Gewinne ausschütten, um der höheren Steuer zu entgehen. Nach der Befristung könnten die Gewinne dann zu den alten Steuersätzen ausgeschüttet werden. Treffen würde man also nur unselbstständige Topverdiener wie angestellte Manager.

Generell ließ Doralt kein gutes Haar an den diversen Steuervorschlägen von SPÖ und ÖVP. Es herrsche "Planlosigkeit". Die SPÖ trete für eine Vermögenssteuer ein, ohne ein ausgefeiltes Konzept zu haben. Die Idee, dass Kapitalvermögen erfasst werden soll, Betriebsvermögen hingegen nicht, würde zu Ungleichbehandlungen führen. Ein Unternehmer, der sein Unternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft betreibt, wäre von einer derartigen Vermögenssteuer betroffen, einer, der es als Einzelunternehmer betreibt, nicht.

Wien gegen Grundsteuer

Für sinnvoll hielte Doralt in diesem Zusammenhang die Anhebung der Grundsteuer - allerdings nur dann, wenn man gesetzlich unterbinde, dass diese an die Mieter weitergegeben werden kann. Das sei aber realpolitisch unwahrscheinlich, weil die Stadt Wien dann auf den Kosten für ihre Grundstücke sitzen bleibe. "Der unausgesprochene Grund, warum die Reform nicht kommt."

Finanzministerin Maria Fekter (VP) kritisierte der Steuerexperte für ihre Aussagen, man vertreibe mit der verschärften Stiftungsbesteuerung Privatstiftungen. Doralt: Niemand habe deshalb das Land verlassen.

Für "gefährlich" hält er den Fekter-Vorstoß, steuerliche Pauschalierungen, die es beispielsweise in der Landwirtschaft gibt, auf Betriebe mit einem Umsatz von bis zu einer Million Euro auszuweiten. Pauschalierungen würden immer nur von Betrieben in Anspruch genommen, die sich dadurch Steuern sparen. Es sei daher mit einem beträchtlichen Einnahmen-Entfall für den Staat zu rechnen. (go, DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2011)