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Das Schloss Wilhelminenberg: früher ein Kinderheim, heute ein Hotel in Ottakring

Foto: APA

Wien - Von den zwei Millionen Euro, die die Stadt Wien für Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer aus städtischen Heimen bereitgestellt hat, ist fast nichts mehr über. Weit mehr als 300 Personen, die in Heimen misshandelt oder sexuell ausgenützt wurden, haben sich gemeldet. Doch die schweren Vorwürfe, die zwei Schwestern am Wochenende im Kurier und im ORF erhoben haben, könnten zu einer neuen Dimension in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Wiener Heimen führen.

Die beiden Frauen kamen vor etwa 40 Jahren als Sechs- beziehungsweise Achtjährige in das (1977 aufgelassene) Kinderheim Schloss Wilheminenberg in Wien-Ottakring. Sie berichten von Vergewaltigungen durch mehrere Männer: "Es waren mehrere Männer und mehrere Mädchen. Im Zimmer waren 20 Mädchen. Da ist jede drangekommen", schildert eine der Frauen.

Kinder "vermietet"

Die Vergewaltigungen habe es "manchmal täglich" gegeben, "und dann war ein, zwei Wochen Ruhe". An den Übergriffen sollen sich auch mehrfach die Erzieher beteiligt haben, welche für die ebenfalls im Heim untergebrachten Buben zuständig waren.

Die beiden Frauen vermuteten, dass im Zusammenhang mit den Vergewaltigungen auch Geld an die Erzieherinnen geflossen sein könnte. "Im Nachhinein kommt es mir so vor, dass jemand für uns bezahlt wurde. Weil sie uns immer zurechtgemacht haben. Wir mussten Strumpfbandgürtel anziehen und durften uns nicht die Haare schneiden lassen", erinnert sich eines der Opfer.

Der Verdacht der Kinderprostitution sei im konkreten Fall auch bei der Opferschutzorganisation Weißer Ring bestätigt worden.

Rechtsanwalt Johannes Öhlböck, der die beiden Frauen vertritt, erklärte am Sonntag, dass er sich in einem Aufforderungsschreiben nach dem Amtshaftungsgesetz an die Stadt Wien gewendet habe, um Schadenersatz und die Übernahme von Therapiekosten einzufordern. Er sei überzeugt davon, dass seine Mandantinnen keine Einzelfälle gewesen seien.

Kommission prüft

Heinz Vettermann, SPÖ-Gemeinderat und Vorsitzender des Vereins Wiener Jugendzentren, meinte, dass die Stadt Wien um eine lückenlose Aufklärung bemüht sei. Bereits im Herbst 2010 sei die Kommission zur Aufarbeitung von Gewalt in städtischen Kinderheimen unter der Leitung des Wiener Zeithistorikers Reinhard Sieder eingerichtet worden; diese soll auch die neuen Vorwürfe untersuchen. Vettermann ist für Entschädigungszahlungen an die Opfer. Das sei zumindest ein Zeichen für die Anerkennung des Opferstatus. (APA, red, DER STANDARD Printausgabe, 17.10.2011)