Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) will beim Straßenbau sparen.

Foto: Robert Newald

Standard: Am Dienstag haben Sie die neuen Öffi-Tarife präsentiert, am Mittwoch hingen bereits grüne Plakate in den U-Bahn-Stationen. Standen die 365 Euro für die Jahreskarte schon länger fest, oder haben die Grünen so schnell die Druckmaschinen angeworfen?

Vassilakou: (lacht) Oder wir hatten einfach unterschiedliche Varianten von Plakaten.

Standard: Welche Preise standen auf den anderen Varianten?

Vassilakou: Es stand auf alle Fälle drauf, dass die Öffis billiger werden.

Standard:  Die 365 Euro für die Jahreskarte galten ja schon länger als fix. Wo hat es sich bei den Verhandlungen gespießt?

Vassilakou: Eine derart drastische Verbilligung der Jahreskarte kostet eine Stange Geld, und es gab viele Widerstände, nicht zuletzt auch von den Wiener Linien. Aber nun haben wir eine gute Lösung.

Standard: Bürgermeister Michael Häupl und der grüne Klubchef David Ellensohn haben harsche Kritik an der Geschäftsführerin der Wiener Linien geübt, die eine Erhöhung der Tarife gefordert hatte. Sind die Wiener Linien jetzt mit im Boot?

Vassilakou: Ich habe dafür bisher noch keine Anzeichen gesehen, aber ich gehe davon aus, dass sie ins Boot zurückfinden werden. Nämlich wenn sie sehen, dass immer mehr eine Jahreskarte kaufen.

Standard: Bei der Tarifreform stand die Querfinanzierung durch die Parkraumbewirtschaftung lange im Raum, was nun nicht gelungen ist. Wie wollen Sie die Bezirksvorsteher doch noch überzeugen?

Vassilakou: Ich gehe davon aus, dass es noch vor Jahresende eine Lösung für die Ausweitung des Parkpickerls gibt. Die Grenzziehung ist Aufgabe der Bezirke, und unsere Bezirksvorsteher sind vernünftige, kooperative Menschen. Da geht etwas weiter.

Standard: Aber einige Bezirksvorsteher sagen, sie machen das nicht, ohne die Bewohner zu befragen.

Vassilakou: Auch das ist ihre Angelegenheit, da mische ich mich nicht ein. Gerade verkehrspolitische Maßnahmen, die ja oft polarisieren, müssen transparent begründet werden, und es nützt nichts, wenn man sich vor dem Konflikt drückt.

Standard: Der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch argumentiert beim Parkpickerl aber damit, dass man über Steuern ja auch nicht abstimmen lassen kann.

Vassilakou: Verkehrspolitik ist ein Thema, bei dem direkte Demokratie an schwierige Grenzen stößt. Man muss die Bürger informieren und ihre Wünsche soweit als möglich berücksichtigen. Wenn man aber versucht, Verkehrspolitik mittels Volksbefragung zu machen - na dann Mahlzeit!

Standard: FP-Chef Heinz-Christian Strache möchte ganz Wien zur Kurzparkzone machen und die Pendler an den Stadtgrenzen stoppen. Was halten Sie davon?

Vassilakou: Die Wiener FPÖ hat sich bisher exzessiv gegen die Ausweitung des Parkpickerls gewehrt. Es ist zwar seltsam, Unterstützung aus dieser Ecke zu bekommen, aber es soll mir willkommen sein.

Standard: Bürgermeister Häupl hat im Standard-Interview gesagt, dass es allein Ihre Aufgabe ist, die Bezirksvorsteher vom Parkpickerl zu überzeugen. Fühlen Sie sich da alleingelassen?

Vassilakou:Im Gegenteil, ich bitte sogar darum. Es ist die Aufgabe, um nicht zu sagen das Schicksal jedes Verkehrsstadtrates. Verkehr ist nun einmal dezentralisierte Materie. Das Einzige, was es kostet, ist Zeit - und die muss man sich nehmen. Das ist es wert.

Standard: Wann könnte die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung starten?

Vassilakou: Vorsichtig geschätzt nach dem Sommer kommenden Jahres. Jedenfalls im Jahr 2012, auch deshalb, weil saftige Strafzahlungen von der EU wegen der Feinstaubbelastung drohen. Die Stadt muss nachweisen, dass sie ernsthafte Anstrengungen unternimmt, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Ich kann nichts dagegen tun, wenn Industriestaub aus der Slowakei Richtung Wien geweht wird. Die einzige Schraube, an der ich drehen kann, ist der lokale Verkehr.

Standard: Aber bis zur Grenze der Kurzparkzonen werden die Pendler weiterhin fahren. Wird es da ein Paket mit S-Bahnen und Park-and-ride-Anlagen geben?

Vassilakou: Es gibt Gespräche mit Niederösterreich, mit dem Ziel, die S-Bahn-Intervalle auf 15 Minuten zu verdichten. Man muss sich anschauen, inwieweit es Sinn machen würde, dass Wien den Bau von Park-and-ride-Anlagen entlang von S-Bahn-Stationen in Niederösterreich finanziell unterstützt. Die Ostregion braucht endlich öffentliche Verkehrsanbindungen, die einer Metropolen-Region würdig sind. Das ist in den letzten Jahrzehnten verschlafen worden. Die Mittel dafür werden aber jetzt nicht mehr, sondern weniger. Deswegen habe ich immer gesagt, dass wir eine Citymaut brauchen, um die Mittel daraus - das wären jährlich mehr als 100 Millionen Euro - eins zu eins in den Ausbau der Öffi-Anbindungen in die Region zu investieren. Derzeit sehe ich aber keine Bereitschaft - weder in der SPÖ noch in der ÖVP -, diesen Weg zu gehen.

Standard: Bei der Volksbefragung vor der letzten Wahl haben die Wiener gegen die Citymaut gestimmt, damit war das Thema für die SPÖ vom Tisch. Wollen Sie das in dieser Legislaturperiode wieder aufs Tapet bringen?

Vassilakou: Es ist klipp und klar im Regierungsübereinkommen festgehalten, dass die Citymaut bis zur nächsten Wahl kein Thema ist. Es macht trotzdem Sinn, sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Standard: Die dichtere Taktung der S-Bahnen müssen die Länder zahlen. Sehen Sie eine Möglichkeit, das ohne die Citymaut zu finanzieren?

Vassilakou: Einzelne Verdichtungen können wir uns auch jetzt leisten. Wir haben ausgerechnet, dass ein Zehn-Minuten-Takt zwischen Stockerau und Floridsdorf pro Jahr 250.000 Euro kostet. Das würden sich Wien und Niederösterreich aufteilen. Es handelt sich um ein paar Millionen Euro, die das zusätzlich kosten würde, die wird man hoffentlich zusammenkratzen können. Wir brauchen aber leistungsfähige Anbindungen ins Umland, inklusive einer vernünftigen Verbindung nach Bratislava. Dazu bräuchte es eine Extrafinanzierung, etwa durch die Citymaut. Das ist eine politische Diskussion, die geführt werden muss, nüchtern und ohne Hysterie.

Standard: Ihr nächstes großes Projekt ist die verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße. Sie haben gesagt, sie muss autofrei werden, aber keine Fußgängerzone. Was ist, wenn die Anrainer eine andere Variante präferieren?

Vassilakou: Es geht darum, die Mariahilfer Straße autofrei zu bekommen, das heißt, die Durchfahrt soll nicht mehr möglich sein. Wichtig ist, dass Menschen, die an der Mariahilfer Straße wohnen, ihre Garagen anfahren können, dass der Öffi-Verkehr fährt und dass es Querungen gibt. Die Zwischenabschnitte sind aber weitestgehend für die Fußgänger da, und es braucht einen baulich getrennten Radweg. Ich gehe davon aus, dass unter diesen Rahmenbedingungen die überwiegende Mehrheit der Bewohner dafür sein wird. In dieser Diskussion wird halt gern das Wort Fußgängerzone benutzt, wir wollen vielmehr eine Flaniermeile.

Standard: Derzeit wird das Budget verhandelt. Wo darf es in Ihrem Bereich keine Abstriche geben?

Vassilakou: Es kann, muss und wird bei mir sehr viele Abstriche geben. Es gibt mehr Mittel für den Ausbau des Radverkehrs, für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Neugestaltung der Mariahilfer Straße. In Summe ist mir sehr wichtig, dass nicht gespart wird bei Wettbewerben und bei der Bürgerbeteiligung.

Standard: Wo wird dann gespart in Ihrem Ressort?

Vassilakou: Indem die eine oder andere Behübschungsmaßnahme verschoben wird. Wir schauen uns auch ganz intensiv das Kapitel Straßenbau an, das verschlingt sehr viel Geld. Da gibt es die Möglichkeit, bis zu zehn Prozent zu sparen, sowohl in der Art und Weise, wie man neue Straßen plant, als auch bei den Materialien, die zum Einsatz kommen. (Bettina Fernsebner und Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.10.2011)