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Der Stadtteil Palermo ist ein Dorf in der Stadt - allerdings ein sehr hippes Dorf. Hier kann man, anders als im Großteil der Millionenmetropole Buenos Aires, gemütlich zu Fuß gehen, shoppen und fein essen.

Foto: Michel Setboun/Corbis

Unterkunft:

Duque Boutique Hotel, Calle Guatemala 4364, Doppelzimmer ab 140 US-Dollar

Bars und Restaurants:

Mark's Deli & Coffee House, Calle El Salvador 4701
Bar 6, Calle Armenia 1676
Mott, Calle El Salvador 4685
Olsen, Calle Gorriti 5870

Foto: Duque Boutique Hotel

Geschäfte:

Tucci, Calle Honduras 4848, Di-So 11-20 Uhr
No Brand, Calle Gorriti 5876, Di-So 12-20 Uhr

Foto: Tucci
Grafik: DER STANDARD

Morgen spielt Palermo Soho ein wenig Central Park. Dann trudeln die DogWalker auf der Grünfläche zwischen Calle Armenia und Calle Nicaragua ein, jeder tänzelt über das Kopfsteinpflaster, mit langen Leinen und einem Dutzend Tieren, das er wie einen lebendigen Strauß Blumen vor sich her führt, und entlässt die Hunde in das kreisrunde Auslaufgatter, wie man es aus Manhattan kennt. Die Tiere bellen hysterisch, die Bediensteten nuckeln gelassen Mate, während die Besitzer im Mark's Deli & Coffee House einen Cappuccino schlürfen und bunte Streifenschals von Elementos Argentinos aus dem umweltfreundlichen Papiersackerl fischen.

Das hätten Besucher vor fünfzehn Jahren noch nicht erlebt. Damals hatte das Einbahnstraßenareal mit dem Holperpflaster und den schattenspendenden Bäumen noch keinen eigenen Namen. Das Terrain von kleinen Handwerkstätten und Lebensmittelgeschäften war ein Teil des großen Bezirkes Palermo. Die "porteños", die Bewohner der Hauptstadt, kamen hierher, um ihre Autos in einer der Werkstätten günstig zerlegen oder reparieren zu lassen. Noch manches Wrack erinnert daran.

Erst vor rund zehn Jahren entdeckten Künstler, Designer und Ladenbesitzer die niedrigen Häuser im spanischen Kolonialstil, rasend schnell zogen Bars und Cafés an die Plaza Serrano, und Modelabels aus der ganzen Welt entkernten manches Gebäude. Bald schon adelte die New York Times den Bezirk zur "hippest hood" und verglich die kreative Spannung mit Silver Lake in Los Angeles und Berlin-Mitte.

Wenn sich die Hunde heisergebellt haben und wieder in den Wohnungen verschwunden sind, rücken die Touristen und Flaneure nach. Davor gibt es auch wenig zu tun für sie. Die Geschäfte öffnen erst ab zehn oder elf Uhr vormittags, dafür sind manche bis 21 Uhr geöffnet. Beinahe nirgendwo sonst im innerstädtischen Hexenkessel Buenos Aires' leben Spaziergänger so ungefährlich. Der Pflasterstein zwingt die Autofahrer zum langsamen Fahren, die verlassenen Straßenbahnschienen in der Calle Nicaragua tun ihr übriges - und wenn Flohmarkt um die Plaza Serrano ist, hat die Polizei einige Straßen gleich ganz abgesperrt. Das ist für eine Stadt, die sich mit der Avenida 9 de Julio und ihren 20 Fahrspuren brüstet, sehr erholsam.

Palermo Soho ist das Dorf in der Drei-Millionen-Metropole - gesegnet mit einem ganz und gar urbanen Designverständnis. In der Bar 6 an der Calle Armenia hat der Innenarchitekt nur die alte Fassade belassen und eine luftige Liegelandschaft aus Sichtbeton hineingebaut. Im schneeweißen Restaurant Mott erinnert der luftige Innenraum an die frühere Bestimmung als Werkstatt. Das Modelabel Tucci hat in eine Baulücke einen Betonquader mit Halbbogen schräg eingesetzt, der überhaupt nicht fehl am Platz wirkt. Dazwischen gibt es frisch geweißte Kastenbauten aus den 30er-Jahren, mit langen Terrassenvorsprüngen im Obergeschoß. Es ist, als überböten sich Miniatur-Bauhaus-Entwürfe mit Ideen einer Glas-Moderne.

Der Name erinnert daran, woran sich die Hauptstädter dabei orientieren: an dem New Yorker Stadtteil Soho - und nicht am Londoner Vorbild. Der Falklandkrieg von 1981 verbietet diese Assoziation sowieso auch weiterhin. Am westlichen Rand schneiden Bahnschienen in das Hipster-Viertel ein, auf der anderen Seite grenzt ein noch teurerer, aber weniger spannender Stadtteil an, in gesundem Größenwahn Palermo Hollywood getauft. Ab Mitte der 90er-Jahre standen hier Industriegebäude leer, Fernseh- und Musikstudios zogen ein, die lokale TV-Prominenz folgte - und heute residieren einige der beliebtesten Restaurants der Stadt an den Straßen im Schachbrettmuster. Zum Beispiel das Olsen in der Calle Goritti, das mit den hellen Holzstreben und der nordisch angehauchten Karte so tut, als läge es in Schweden.

No Brand

Gleich nebenan wirbt der Designladen No Brand für die Modernität des Landes. Das Geschäftscredo des Gründerkollektivs lautet: "Wir sind das einzige Land in der Welt, das man im Rest Südamerikas für seine Arroganz kennt, in den USA für seine Wissenschafter, in Europa für seine Schönheit und Kultur und in der ganzen Welt für Maradona."

No Brand hat 75 Motive aus Geschichte, Geografie und Kultur Argentiniens in schlichte Symbole überführt - und alles in den Nationalfarben Weiß, Hellblau und Schwarz. So wird aus den trauernden Müttern auf der Plaza de Mayo ein weinendes Kopftuch und aus Maradona ein lachendes Pfannkuchengesicht mit Lockenkamm. Die Motive können Touristen einzeln als bedrucktes T-Shirt oder gesammelt in einem gebundenen Buch kaufen. Eine hübsche Idee, die vor Augen führt, warum Buenos Aires 2005 als erste Stadt von der Unesco den Ehrentitel "Design City" erhielt.

Tagsüber kann man die beiden Viertel Palermo Soho und Palermo Hollywood gut zu Fuß ablaufen, die kleinen Details genießen, die unzähligen herrenlosen Hunde in den Seitenstraßen beobachten, die verwöhnten im Hundegatter, die alte deutsche Fleischerei in der Calle Godoy Cruz besuchen, deren Schild "Feine Wurstwaren, Käse und Delikatessen" verspricht - aber man muss nachts wiederkommen.

Um Mitternacht füllen sich die Bars mit schnatternden Menschen, dann legen DJs auf, die Plaza Serrano mutiert zur Ausgehmeile - und ab zwei Uhr geht es in die Clubs von Palermo Hollywood, vielleicht ins Frank, ein angesagtes Lokal, das nur eine einfache Stahltür verrät. Drinnen gibt es teure Cocktails, hübsche Mädchen in Designerminis und gutaussehende Männer mit Muscle-Shirts. Es ist so, wie sich Buenos Aires New York vorstellt. Dabei übersehen die "porteños", dass die argentinische Hauptstadt ihr vermeintliches Vorbild längst eingeholt hat. (Ulf Lippitz/DER STANDARD/Rondo/14.10.2011)