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Pflegegeld der Stufe eins und zwei wird nicht mehr so leicht bewilligt wie früher. Die Folge: Die Anzahl der Bezieher geht zurück.

Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Durch den erschwerten Zugang geht die Zahl der neuen Pflegegeld-Bezieher heuer seit Jahren erstmals deutlich zurück, berichtet das Ö1-Morgenjournal. Das zeigen die Halbjahreszahlen des Sozialministeriums, die Ö1 exklusiv vorliegen. Seit Jahresbeginn muss man mehr Pflegebedarf nachweisen, um in die niedrigen Pflegestufen zu kommen.

Pflegegeld der Stufe eins und zwei wird nicht mehr so leicht bewilligt wie früher: Seit Jahresanfang muss man dafür nämlich pflegebedürftiger als bisher sein. Für die Pflegestufe eins muss jetzt belegt werden, dass man 60 Stunden Pflege im Monat braucht. Früher waren es nur 50. Auch für die Stufe zwei muss man seit Jänner um zehn Stunden mehr Pflegebedarf nachweisen können. Durch diesen erschwerten Zugang haben im ersten Halbjahr 4.000 Menschen gar kein Pflegegeld bekommen. Doppelt so viele werden es im ganzen Jahr sein, so das Sozialministerium.

Positiver Effekt für Budget, negativer Effekt für Betroffene

Diese 8.000 Menschen müssen pro Monat auf über 150 Euro verzichten. Dazu kommen noch weitere rund 10.000 Menschen, denen pro Monat 130 Euro entgehen, weil sie nur die Stufe eins statt wie früher gleich die Stufe zwei bekommen beziehungsweise nicht in diese vorrücken. Insgesamt sind durch den erschwerten Pflegegeld-Zugang also rund 18.000 Menschen betroffen, so die Berechnungen des Sozialministeriums. Diesen Menschen entgehen bis zu 1.800 Euro im Jahr.

Eine Entlastung von insgesamt 22 Millionen Euro bringt hingegen einen positiven Effekt für das Budget. Eingerechnet ist dabei auch, dass schwerer Pflegebedürftige der Stufe sechs heuer etwas mehr bekommen. Die Entlastung bedeutet aber nicht, dass die Ausgaben für die Pflege sinken, sie steigen nach wie vor, aber eben etwas weniger und betragen heuer über 2,4 Milliarden Euro. Insgesamt bekommen in Österreich 442.000 Menschen Pflegegeld - das sind über fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, Österreich liegt damit im OECD-Vergleich im Spitzenfeld.

Hundstorfer verteidigt Änderung

Sozialminister Rudolf Hundstorfer bezeichnete im Ö1-"Mittagsjournal" die Verschärfung beim Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 und damit auch den Rückgang bei den Neuzuerkennungen als "gesellschaftlich vertretbar". Eine Änderung der Regelung lehnte er ebenso ab, wie er weitere Verschärfungen ausschloss. Der Minister verwies auch darauf, dass sich die Zahl der Einsprüche bei den Sozialgerichten nicht erhöht habe. Zudem sei Österreich weiterhin "Weltmeister" in Sachen Pflegegeld. Die gute Zugänglichkeit werde Österreich auch von der OECD im internationalen Vergleich bescheinigt: Mit 5,2 Prozent der Menschen in Pflege liegt Österreich auf Platz eins.

Öllinger fordert "Wertanpassung des Pflegegelds"

Der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger warf der Regierung hingegen Budgeteinsparungen auf Kosten pflegebedürftiger Menschen vor. Das sei "unsozial". Öllinger forderte in einer Aussendung "eine Wertanpassung des Pflegegeldes an die Inflation statt einer Verschärfung beim Zugang." Einsparungen für das Budget sollten in der Verwaltung, aber nicht beim Pflegegeld erfolgen. Wenn die Budgeteinnahmen für die Finanzierung der Pflege nicht reichen, dann müsse eben über neue Einnahmequellen nachgedacht werden, bekräftigte Öllinger die Forderung der Grünen nach Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Die Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger kritisierte, dass der Rückgang an Kosten für das Pflegegeld zu Lasten der pflegenden Angehörigen gehe. Gerade Bezieher der Pflegegeldstufen 1 und 2, die mit 54 Prozent den größten Anteil darstellen, würden fast ausschließlich zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. (APA/red, derStandard.at, 14.10.2011)