Der Stein des Anstoßes: Medveščaks Teenager-Goalie Mate Krešimir Tomljenović.

Foto: Screenshot/Hrvatska radiotelevizija

Sonntag, 9. Oktober 2011, kurz nach 20 Uhr. Einmal mehr steht der Dom Sportova zu Zagreb förmlich Kopf, knapp 7.000 Fans huldigen mit ohrenbetäubenden Gesängen ihrer Mannschaft. In einem tollen Eishockeyspiel hat Medveščak den Vizemeister KAC mit 5:4 niedergerungen und den Kärntnern die erste Niederlage nach regulärer Spielzeit in der laufenden Saison zugefügt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht der schmächtige, erst 18jährige Goalie der Gastgeber, Mate Krešimir Tomljenović, der am Ende des bisher wohl denkwürdigsten Tages seiner Karriere alleine am Mittelkreis verblieben ist und dort, begleitet von den Akklamationen des Publikums, Purzelbäume schlägt.

Die Strafverifizierung

Vier Tage später, am Donnerstag, dem 13.Oktober, veröffentlicht der ÖEHV die Entscheidung seines Melde-, Ordnungs- und Beglaubigungsreferats, das Spiel vom Sonntag mit 5:0 Toren und 2:0 Punkten zu Gunsten des sportlich unterlegenen KAC zu werten. Begründet wird dies mit dem „unberechtigten Einsatz des Spielers Kresimir Mate Tomljenovic" auf Seiten der Kroaten.
Die lapidare Aussendung dazu umfasst lediglich 62 Wörter und bildet den vorläufigen Endpunkt einer Posse, in der sich nicht nur keiner der Beteiligten mit Ruhm bekleckert hat, sondern einmal mehr die strukturellen Schwächen der Parallelkonstruktion Liga/Verband bzw. Liga/Verbände ebenso aufgezeigt wurden wie die an vielen Stellen des Systems fehlende Professionalität. Im Folgenden der Versuch der Rekonstruktion der Ereignisse.

Die Ausgangssituation

Mate Krešimir Tomljenović ist Kroatiens größtes Torhütertalent, seit vier Jahren genießt er seine Eishockeyausbildung in der Slowakei, wo er aktuell im Tor der U20-Mannschaft des HKM Zvolen steht. Sein Erfahrungsschatz an Bewerbsspielen in der Seniorenklasse beschränkt sich auf vier Einsätze für das A-Nationalteam seines Heimatlandes, in dem er bei der Weltmeisterschaft der Division 2 im vergangenen April zur Nummer eins im Tor avancierte.
Als sich Medveščaks prekäre Torhütersituation (Anm.: Robert Kristan langzeitverletzt, Backup Michael Ouzas ebenfalls nicht einsatzfähig) nach dem Auswärtsspiel in Salzburg am vergangenen Freitag, das man mit dem ebenfalls erst 18jährigen Andrej Vasiljević im Tor bestritten hat, weiter zuspitzt, versuchen die Klubverantwortlichen ein kurzfristiges Leihabkommen betreffend Nationaltorhüter Tomljenović mit seinem slowakischen Klub zu erzielen, um am Sonntag im Heimspiel gegen den KAC zumindest zwei Goalies aufbieten zu können.

Der Charterflug

Die Einigung gelingt, am Sonntag bestätigt der slowakische Verband den Wechsel. Tomljenović weilt zu dieser Zeit mit dem U20-Team Zvolens beim Auswärtsspiel in Nitra, dessen Faceoff für 11.30 Uhr angesetzt ist. Entgegen der Darstellung Medveščaks kommt der Torhüter in diesem Spiel jedoch bereits nicht mehr zum Einsatz, wie der offizielle Spielbericht bestätigt.
Tomljenović wird mit einiger Verzögerung von Nitra nach Bratislava gebracht, wo bereits eine eigens aus Zagreb gekommene Chartermaschine auf ihn wartet. Ein dem Verein nahestehendes Unternehmen hatte den kurzfristigen Sonderflug ermöglicht, der kurz vor 16 Uhr, also lediglich 90 Minuten vor dem Beginn des Spiels Medveščak gegen KAC, die slowakische Hauptstadt verlässt. Als im Dom Sportova die Mannschaften bereits zum Aufwärmen auf das Eis kommen, befindet sich der 18jährige Goalie noch im Landeanflug auf Zagreb.
Geschickt verzögern die Kroaten wenig später den Spielbeginn um mehr als zehn Minuten. Ein Kniff, der es Tomljenović ermöglicht, seine Torhüterausrüstung anzulegen und letztlich zum Zeitpunkt des Eröffnungs-Faceoffs auch im Tor zu stehen - ohne beim Warmup einen Schuss auf sein Tor abbekommen zu haben, ohne den Großteil seiner Mitspieler kennengelernt zu haben.

Der Tag danach

Nach 60 Minuten sehr ansehnlichen und temporeichen Eishockeys bezwingt Medveščak den KAC dank einer erheblichen Leistungssteigerung im Schlussabschnitt mit 5:4. Der 18jährige Torhüter Tomljenović greift mit seiner Fanghand zwar einige Male daneben, ist angesichts seiner außergewöhnlichen Geschichte aber natürlich der Held des Tages in Zagreb.
Sein Gesicht ziert am nächsten Morgen die Titelseiten der Tageszeitungen, im Laufe des Montags thematisieren kroatische Online-Medien jedoch die Frage nach seiner Spielberechtigung und berichten über entsprechende Überprüfungen seitens des Österreichischen Eishockey-Verbandes (ÖEHV). Die Generalsekretärin des kroatischen Verbandes (HSHL), Iva Teuber, stellt etwa auf vjesnik.hr fest, dass „die vom slowakischen Verband unterfertigte Transferkarte nach Zagreb geschickt und von dort an den Weltverband IIHF weitergeleitet wurde, der den Wechsel per Sonntag beglaubigte. Die entsprechende Bestätigung erging per Fax an den ÖEHV, der Spieler war aus Sicht des kroatischen Verbandes, der einem nicht registrierten Spieler keine Genehmigung erteilen würde, somit spielberechtigt."

Der Widerspruch

Diese Argumentation folgt den „Grundregeln für die Durchführung der Meisterschaft der Erste Bank Eishockey Liga" (PDF), in deren §22 die Verantwortlichkeit für die Erteilung der Spielberechtigung eines Spielers dem jeweiligen nationalen Verband - in diesem Fall dem kroatischen - zugewiesen wird. Übersehen wird dabei - bewusst oder unbewusst - jedoch die ergänzende Bestimmung im Teil C, §2(3) der „Durchführungsbestimmungen der Meisterschaft der Erste Bank Eishockey Liga "(PDF), die festlegt, dass die „Voraussetzung der Spielberechtigung in der EBEL (...) die Bestätigung der Registrierung seitens des ÖEHV mittels der offiziellen Formulare" sei.
Dazu ist anzumerken, dass der hier beschriebene Vorgang der Registrierung ein rein administrativer Schritt ist, bei dem der Spieler etwa in die Datenbanken der offiziellen Webseiten des ÖEHV und der EBEL eingetragen wird. Da es sich bei diesem Formalakt um eine (beim österreichischen Verband zu erfüllende) Vorbedingung für die Erteilung der Spielberechtigung (durch den kroatischen Verband) handelt, ergibt sich die paradoxe Situation, dass der Spieler Tomljenović am Sonntag aus Sicht des kroatischen Verbandes (sowie der IIHF) für Medveščak spielberechtigt, er nach Argumentation des österreichischen Verbandes jedoch nicht in einem Meisterschaftsspiel der Erste Bank Eishockey Liga einsatzberechtigt war.

Die Zeitkomponente

Zu klären bleibt somit die Frage, warum der ÖEHV die „Registrierung mittels der offiziellen Formulare" nicht vornehmen konnte. Das Melde-, Ordnungs- und Beglaubigungsreferat gibt hier an, bis zum Spielbeginn am Sonntag per Fax lediglich das Anmeldeformular, die Verbandsbeglaubigung und die unzureichend unterfertigte Transferkarte des Spielers erhalten zu haben. Auf letzterer fanden sich zwar die Signaturen des slowakischen und des kroatischen Verbandes, nicht jedoch jene des Weltverbandes. Erst am Montag erreichte eine auch von der IIHF bestätigte Version der Transferkarte den ÖEHV, die - und hier verkommt die Causa endgültig zur Farce - auf Sonntag datiert war.

Am Ende der Geschichte bleibt die Erinnerung an ein mehrtägiges Gezeter, das dem tollen Eishockeyspiel vom Sonntag in keinster Weise würdig war und dem mit der Entscheidung zur Strafverifizierung durch den ÖEHV ein Ende gesetzt wurde. Berufungsmöglichkeit gegen dieses Urteil gibt es folgend §13(6) der „Grundregeln für die Durchführung der Meisterschaft der Erste Bank Eishockey Liga" nämlich keine.

Ausdrücklich festzuhalten ist, dass die Untersuchungen in diesem Fall folgend der ihm zugewiesenen Aufgaben vom Melde-, Ordnungs- und Beglaubigungsreferat des ÖEHV initiiert wurden und nicht vom KAC als Verlierer des Spiels am Sonntag angestoßen wurden, wie KAC-Präsident Karl Nedwed im Gespräch mit derStandard.at betonte: „Wir hätten uns eine sportliche Entscheidung gewünscht, das habe ich auch eben dem Präsidenten Medveščaks mitgeteilt."
Gefordert ist nun aber auch die Erste Bank Eishockey Liga selbst, die ihre Bestimmungen auf Doppelbödigkeiten und nicht gänzlich klare Formulierungen hin untersuchen sollte und auch dazu angehalten ist, Gedankenexperimente zur Optimierung des Zusammenspiels zwischen ihr und den nationalen Verbänden der ihr angehörenden Klubs anzustellen. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 14.Oktober 2011)