Wohin mit dem Notgroschen? Oder doch gleich die Sparschweinderlfamilie an die Börse bringen?

Foto: derStandard.at/rom

Bernd Lausecker vom vki glaubt nicht, dass für Otto Normalsparer nun die Tore der Börse weit geöffnet stehen. Zu lange sei der Zeithorizont, in dem sich die Anlagen bewegen, die Vermögen der Sparer meist zu klein, um auf einen erklecklichen Betrag notfalls auch einfach verzichten zu können.

Foto: Wilke

Herr und Frau Österreicher gelten nicht als besonders risikofreudig was ihre Geldanlagen betrifft. Immer noch haben Sparbuch, Bausparer und diverse Versicherungsprodukte die Nase vorne, wenn es um die Frage geht, wohin das gerade nicht benötigte Geld wandern soll. Nun hat uns die Krise fest im Griff, viele sorgen sich um ihre Rücklagen. Andere fragen sich, ob denn nun nicht der Zeitpunkt da ist, fett in das Aktiengeschäft einzusteigen. Bernd Lausecker, Finanzexperte vom Verein für Konsumenteninformation (vki), erklärt im Gespräch mit derStandard.at, warum wir uns um unsere Spareinlagen vorerst keine Gedanken machen müssen, wo die Tücken des Aktienmarktes für den kleinen Sparer liegen, und was das alles mit Lottospielen zu tun hat.

derStandard.at: Die Krise hält uns in Atem, an allen Ecken und Enden hört man von Zusammenbruch und Staatsbankrott. Doch wie berechtigt ist die Angst des Österreichers um sein Erspartes?

Bernd Lausecker: Das Ersparte vom normalsparenden Österreicher ist bis dato nicht akut in Gefahr. Für Spareinlagen, die keinen spekulativen Charakter ausweisen, ist die Einlagensicherung vorhanden. Österreich steht also für dieses Geld ein. Die Befürchtung, dass dieses Sparvermögen sich auflöst, ist nicht begründet.

derStandard.at: Die Österreicher sind ja immer noch eher konservative Anleger, sparen meist über Sparbuch oder Bausparer. Ist nun die Zeit reif, auch den Aktienmarkt zu erobern?

Lausecker: Der Weg in den Aktienmarkt ist immer spekulativ. Es gibt genügend Experten, die jetzt sagen: Es schaut nicht so schlecht für den Aktienmarkt aus. Es gibt aber auch andere, die sagen: Durch die Krise wird die Wirtschaft doch so sehr in Mitleidenschaft gezogen, sodass sich der Aktienmarkt so schnell nicht wieder erholen wird. Wir vom Verbraucherschutz können auch nicht sagen, wie sich die Börsen entwickeln werden. Was wir aber sagen können, ist: Die Börse ist keineswegs der richtige Platz für eine Rücklage aus Sicherheitsgründen oder für die Zukunftsvorsorge.

derStandard.at: Wo ist dann der richtige Platz?

Lausecker: Der richtige Platz ist ein strukturierter und sinnvoller Vermögensaufbau, bei dem ich sagen kann: Ich habe meinen Lebensstandard mit sicheren Produkten abgedeckt. Das können ein Sparbuch, oder vielleicht auch eine Anleihe des Staates Österreich oder ein Bundesschatz, oder gewisse Versicherungsprodukte sein. Diese Grundabsicherung muss vorhanden sein, bevor ich mich mit dem Schritt auf den Aktienmarkt beschäftige. Das Risiko des Totalverlustes ist dort einfach gegeben.

derStandard.at: Im Moment sehen wir aber gerade, dass das mit dem "sicheren Hafen" Anleihen auch nicht so fix ist.

Lausecker: Es gab schon immer sichere und weniger sichere Anleihen. Bei Anleihen steht immer die Frage dahinter: Wer ist der Schuldner? Da muss ich auch abschätzen, ob hier Sicherheit gewährleistet ist oder nicht. Bei Österreich mache ich mir weniger Sorgen als bei gewissen anderen Staaten. Herr und Frau Österreicher kaufen zum Beispiel ganz gerne sogenannte Garantieprodukte, wie Garantiezertifikate oder Fondssparpläne mit Höchststandsgarantien. Garantie hat so einen schönen Klang. Die Garantie ist aber immer nur so viel wert, wie sicher der Garantiegeber ist. Ich erinnere an die Geschichte mit Lehman Brothers, wo diese Garantieprodukte nichts mehr wert waren. Jetzt hört jeder ständig: Krise, und denkt sich: Hm, Staatsanleihen, vielleicht sind die doch nicht so sicher. Bei den Garantieprodukten, wo meist eine Bank oder eine Versicherung dahinter sitzt, macht man sich viel weniger Gedanken, als darüber, ob Griechenland pleitegehen kann. Aber seien wir uns ehrlich, Griechenland wird von der EU dann wahrscheinlich doch stärker gehalten als ein Privater.

derStandard.at: Der Österreicher spekuliert also prinzipiell nicht so gerne?

Lausecker: Wir in Österreich sind doch grundsätzlich sehr sicherheitsorientiert. Der Zugang zu eher spekulativen Anlagen ist außerdem auf den ersten Blick auch oft sehr teuer. Ein Sparbuch kostet mich nichts. Wenn ich mir einen Fonds um 1.000 Euro kaufe, dann sehe ich sofort: Hoppala, da hab ich ja plötzlich nur mehr 950 oder 980 Euro. Zuerst einmal ist Geld fort und ich weiß gar nicht, wie sich der Fonds weiterentwickeln wird. Am Aktienmarkt ist das oft noch erheblicher, wenn da Ankaufsspesen, Depotgebühren etc. anfallen. Die Nebenkosten verschärfen den spekulativen Charakter der Anlage noch, weil ich erst einmal Geld ausgeben muss, um später vielleicht einen Gewinn zu erzielen. Da ist eine gewisse Skepsis der Verbraucher durchaus angebracht. Das macht auf der anderen Seite natürlich auch den Markt eher unattraktiv, weil er für Kleinanleger damit relativ teuer bleibt.

derStandard.at: Wie sieht das mit der Börse aus?

Lausecker: Bei direkten Anlagen in Einzeltitel hat der normale Anleger nicht die rasche Möglichkeit, an wichtige Informationen zu gelangen. Bis der Kleinanleger mitkriegt, dass seine Aktie jetzt durch eine Unternehmensmeldung beeinflusst wird, da hat der institutionelle Anleger schon vorher reagiert. Das heißt, der Kurs reagiert schon lange bevor der Kleinanleger handeln kann. Aktieneinzelpositionen sind daher eher ungeeignet. Ich setze mein Geld nicht auf ein Pferd. Ich müsste streuen, doch dafür reichen die Vermögen meist nicht. Für den Normalverbraucher halten wir es für sinnvoller, wenn er an wirtschaftlichen Entwicklungen verdienen will, für besser, wenn er über Fonds statt über Einzelpositionen investiert. Auch den Fonds muss man genau auswählen, und auch hier gilt: Erst nach Absicherung in sicheren Anlagen.

derStandard.at: Es heißt auch, wer nicht am Aktienmarkt investiert, versperrt sich den Zugang zu höheren Renditen. So ein Sparbuch wirft im Moment ein bis eineinhalb Prozent Zinsen pro Jahr ab.

Lausecker: Diese Begründung hat natürlich auch ihre Berechtigung. Aber was helfen dem Normalsparer diese Vergleiche? Mir sind 1,5 Prozent am Sparbuch lieber, als 70 Prozent Verlust am Aktienmarkt. Diese Renditen sind ja auch nur dann zu erzielen, wenn ich Durststrecken durchhalten kann. Spekulation ist außerdem sehr zeitintensiv. Wir sprechen ja hier nicht von jemand, der die Börse als Hobby betreibt und täglich zwei Stunden Wirtschaftszeitungen liest. Wie viele Kleinanleger tatsächlich an der Börse reich geworden sind, ich glaube, das kann man einer Hand abzählen. Da kann man schon fast Lotto spielen.

derStandard.at: Wie sieht es eigentlich mit Rohstoffen als Anlage aus? Sollen wir anfangen Gold zu horten?

Lausecker: Man muss sich genau überlegen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, einzusteigen, nachdem der Preis sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt hat. Rohstoffe generell sind wie bei der Aktienbörse reine Spekulation. Kein Mensch weiß, wie sich die Rohstoffmärkte, wie sich der Weltmarktverbrauch bei sinkender Wirtschaft entwickeln usw. Es gibt keine Zinsen auf Rohstoffe, ich spekuliere lediglich auf einen Preisanstieg. Was man auch nicht vergessen darf: Bei kleinen Rohstoffmengen, die der Normalanleger so kauft, sind die An- und Verkaufspesen sehr hoch. Bis ich die wieder hereinbekomme, das kann dauern.

derStandard.at: Also auch hier kann der kleine Sparer nicht wirklich am großen Weltgeschäft mitnaschen?

Lausecker: Eher nicht. Denn auch Goldsparpläne sind oft an hohe Kosten gebunden. Die Kontoführungs- oder Depotgebühr zahle ich Jahr für Jahr für Jahr, egal wie sich der Goldpreis entwickelt. Das muss man alles wissen. Wir hatten auch schon Zeiten, wo Gold über Jahre hinweg ein Minusgeschäft war. Wenn ich zum falschen Zeitpunkt einsteige, muss ich lange warten, bis sich das Geschäft auszahlt. Das können auch zehn, 15 oder 20 Jahre sein. In diesem langen Zeithorizont denkt der Normal-Sparer nicht. Diese ganzen Börsengeschäfte sind keine Einbahnstraße. Ich will niemanden davon abhalten, es zu versuchen, aber die Risiken müssen einem bewusst sein. (rom, derStandard.at, 14.10.2011)